Wer die Dienste seiner Angestellten zuverlässig kontrollieren will, ist nicht auf den Scan von Fingerabdrücken angewiesen. Mitarbeiter dürfen deshalb auch nicht gezwungen werden, ein solches System zu benutzen. Mit diesem Urteil gab das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einem Arbeitnehmer Recht. Sein Unternehmen hatte mit Kündigung gedroht, weil der Mann die Erfassung per Fingerabdruck verweigert hatte.
Signifikante Partien von Fingerprints
Der 57-Jährige ist seit über zehn Jahren als medizinisch-technischer Radiologie-Assistent (MTRA) in einer radiologischen Praxis beschäftigt. Bis August 2018 trugen die Angestellten dort ihre Arbeitszeiten und eventuelle Überstunden handschriftlich in den Dienstplan ein. Dann stellte die Praxis um auf ein elektronisches System. Dazu müssen sich die Mitarbeiter mittels Fingerprint an einem Terminal identifizieren. Gespeichert werden von dem Gerät nicht die kompletten Fingerabdrücke, sondern lediglich sogenannte „Minutien“. Dabei handelt es sich um Endpunkte und Verzweigungen der Hautrillen, die bei jedem Menschen einzigartig sind. Laut Hersteller wandelt das System die Scans in Zahlencodes um, so dass sich weder die Minutien noch der gesamte Fingerabdruck reproduzieren lassen.
Arbeitgeber droht mit Kündigung
Der MTRA allerdings weigerte sich, das Terminal zu benutzen. Er gab seine Arbeitszeiten weiterhin handschriftlich ab. Innerhalb eines halben Jahres erhielt der Mann zwei Abmahnungen; sogar die sofortige Kündigung wurde ihm angedroht. Daraufhin klagte der Angestellte vor dem Arbeitsgericht Berlin (Az. 29 Ca 5451/19) auf Rücknahme der beiden Abmahnungen. Sie seien ungerechtfertigt, weil die Nutzung seiner Fingerabdrücke nicht durch Datenschutzrecht gedeckt sei. Die Gegenseite argumentierte, dass andere Systeme zur Arbeitszeiterfassung leicht manipuliert werden könnten. Außerdem würden die Abdrücke anonymisiert gespeichert. Da es sich nicht um vollständige Fingerabdrücke handele, seien die Minutien ohnehin keine biometrischen Daten.
Nur mit Einwilligung
Das sah das Arbeitsgericht im Oktober 2019 anders. Ein Dreivierteljahr später gab nun auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 10 Sa 2130/19) dem Kläger recht. Es führte aus, dass biometrische Daten in Artikel 4 Nr. 14 der DSGVO definiert sind als „mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglichen oder bestätigen“. Damit sei auch die Verarbeitung von Minutien grundsätzlich untersagt. Ausnahmen seien nur möglich bei freiwilliger Einwilligung oder dringender Erforderlichkeit. Letztere sei aber nicht gegeben. Schließlich habe der EuGH in seinem Urteil zur Arbeitszeiterfassung (Az. C-55/18) darauf hingewiesen, dass ein verlässliches Zeiterfassungs-System keine biometrischen Daten benötige.
Fazit
Der Arbeitgeber des Radiologie-Assistenten muss die beiden Abmahnungen nun zurücknehmen. Auch die Androhung einer Kündigung ist damit hinfällig. Die Erfassung der Arbeitszeiten mithilfe biometrischer Daten ist nur mit der Zustimmung der Angestellten zulässig.
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