Nicht immer kommt man mit Kollegen oder Vorgesetzten gut klar. Wer aber ausfallend wird, riskiert unter Umständen seinen Arbeitsplatz. Hat man jedoch „nur“ eine SMS oder eine WhatsApp-Nachricht an einen Kollegen geschrieben, in der man seiner Wut auf den Chef freien Lauf lässt, und leitet der sie an den Vorgesetzten weiter, stellt sich die Frage, ob eine Kündigung droht?
Kollegin leitet SMS an Chef weiter
Ein Oberarzt sollte aufgrund eines Personalengpasses eine Krankenschwester fragen, ob sie bereit sei, Rufbereitschaft zu leisten. Auf die SMS antwortete die Krankenschwester, dass sie die Angelegenheit bereits mit ihrem Chef geklärt habe. Nun erwiderte der Arzt erneut per SMS, dass ihr gemeinsamer Vorgesetzter ihm davon nichts erzählt habe und nannte ihn dabei ein „autistisches krankes Arschloch“. Diese Nachricht leitete die Krankenschwester an den Chef weiter, der daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Mediziner verhaltensbedingt kündigte.
Der Oberarzt hielt die Kündigung für unwirksam. So sei die SMS gar nicht für die Kollegin, sondern vielmehr für seine Tochter bestimmt gewesen. Die sei in seinem Handy bei den Kontakten direkt über der Krankenschwester – mit der er im Übrigen ca. zwei Jahre eine Beziehung gehabt hatte – gelistet. Er habe sich also einfach nur vertippt und den Chef gar nicht beleidigen wollen. Auf jeden Fall wäre aber vor der Kündigung eine Abmahnung nötig gewesen. Auch habe er nicht damit rechnen müssen, dass die Krankenschwester die vertrauliche SMS an den Chef sendet. Das sei wohl nur aus „gekränkter Eitelkeit“ passiert, weil er sich von ihr getrennt habe. Der Streit der Arbeitsvertragsparteien endete vor Gericht.
Kündigung war unwirksam
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz entschied, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Richter waren jedoch der Ansicht, dass der Oberarzt die SMS durchaus bewusst an seine Exfreundin geschickt hatte und auch niemand anderes als den Vorgesetzten herabwürdigen wollte. Sie werteten daher die Aussage des Mediziners, sich bei der Auswahl des SMS-Empfängers vertippt zu haben, als bloße Schutzbehauptung.
Auch stellten die Beschimpfungen eine grobe Beleidigung dar, denn der Oberarzt hatte mit der Äußerung die Ehre seines Chefs verletzt. Damit hat er erheblich gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht auf Rücksichtnahme nach § 241 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verstoßen – was in der Regel eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Schließlich wird durch ein derartiges Verhalten nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter gestört, sondern womöglich auch der Betriebsfrieden.
Die Äußerungen in der SMS waren vertraulich
Allerdings müssen daneben die Umstände berücksichtigt werden, unter denen der Angestellte die Beleidigungen ausgesprochen hat. So wäre eine Kündigung wegen Beleidigung z. B. nicht erlaubt, wenn auch der Chef zuvor seinen Beschäftigten beschimpft hätte. Außerdem rechtfertigt überspitzte Kritik oder Polemik generell keine Entlassung – es ist vorher stets zu prüfen, ob die Bemerkungen noch von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I Grundgesetz gedeckt sind. Erst Schmähkritik, bei der die Diffamierung des Chefs, eines Arbeitskollegen etc. im Vordergrund steht, lässt eine Kündigung des Beschäftigten zu.
Vorliegend hatte der Oberarzt seinen Vorgesetzten jedoch nicht direkt beleidigt – er hatte vielmehr in einer SMS an eine Kollegin über den Chef geschimpft. Derartige Äußerungen über den Chef unterfallen jedoch grundsätzlich der Privatsphäre und sind daher vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Das bedeutet, der Oberarzt durfte davon ausgehen, dass die vertrauliche Bemerkung nicht an den gemeinsamen Vorgesetzten weitergegeben wird, um unter anderem den Betriebsfrieden aufrechtzuerhalten. Zusammenfassend hat also nicht der Oberarzt mit seiner Äußerung den Betriebsfrieden gestört – denn ohne die Weiterleitung der SMS durch die Krankenschwester hätte der Chef nie davon erfahren, die folgenden Probleme wären nie entstanden. Der Mediziner hatte somit gegen keine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen – er durfte daher wegen der Beleidigung nicht entlassen werden.
Im Übrigen wäre die Kündigung ohnehin wegen einer unterbliebenen Abmahnung unwirksam gewesen. Denn grundsätzlich muss der Mitarbeiter vor einer verhaltensbedingten Kündigung stets abgemahnt werden. Ausnahmen – die vorliegend aber nicht einschlägig waren – sind nur möglich, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung des Beschäftigten handelt oder wenn trotz Abmahnung nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen ist.
(LAG Mainz, Urteil v. 22.01.2015, Az.: 3 Sa 571/14)
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