Muss der weltgrößte Versandhändler dafür geradestehen, wenn Marketplace-Händler gegen Markenrechte verstoßen? Ein Gutachter am Europäischen Gerichtshof meint: Ja - jedenfalls dann, wenn die fraglichen Produkte über das Programm „Versand durch Amazon“ abgewickelt werden. Dabei spielt seiner Ansicht nach keine Rolle, ob Amazon von den Rechtsverletzungen weiß.
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Schadensersatz für Parfümverkauf
Ausgelöst hat den Rechtsstreit das Eau de Toilette „DAVIDOFF Hot Water“. Der Lizenzinhaber der Marke, die Coty Germany GmbH, entdeckte das Produkt im Sortiment einer Marketplace-Verkäuferin. Die notwendigen Rechte für den Verkauf allerdings besaß sie nicht. Da die Händlerin am Programm „Versand durch Amazon“ teilnahm, sah Coty auch den Online-Riesen selbst in der Verantwortung. Zwar geht der Kunde in diesem Fall nur einen Kaufvertrag mit dem einzelnen Händler ein. Gelagert und versendet allerdings werden die Produkte von Amazon. Dadurch, so Coty, sei das Unternehmen an der Markenrechtsverletzung beteiligt.
Ist das Amazon-Lager „Besitzer“ der Produkte?
Deutsche Gerichte wiesen die Schadensersatzklagen zunächst zurück. Die Begründung: Amazon selbst habe die Marke nicht benutzt. Es gebe auch keinen Grund zu der Annahme, dass das Unternehmen von der Markenrechtsverletzung gewusst habe. Umstritten war allerdings die Auslegung der EU-Verordnung 2017/1001. Laut Artikel 9 kann nämlich ein Markeninhaber nicht nur untersagen, Waren mit seinem Zeichen anzubieten und in Verkehr zu bringen. Schon der Besitz der Produkte darf verboten werden, wenn er genau diesen Zwecken dient. Trifft das auf die Lagerung bei Amazon zu? Um sicherzugehen, erbat der Bundesgerichtshof eine Stellungnahme des EuGH.
Amazon: „Ihr Produkt – wir erledigen den Rest“
Nun hat der Gutachter des EuGH, Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona, seinen Schlussantrag vorgelegt. Demnach spielt Amazon bei seinem Versandmodell eine weit größere Rolle, als ein Lagerhalter oder neutraler Vermittler: das Entgegennehmen der Ware, die Lagerung, die Etikettierung und Versandvorbereitung, das Versenden, das Annehmen der Zahlung, gegebenenfalls auch die Rückerstattung bei fehlerhaften Produkten und schließlich die Überweisung des Geldes an die Händler. Unterm Strich führt der Marketplace-Betreiber damit einen Großteil der Verkäufer-Aufgaben aus, so der Generalanwalt. Das in der Richtlinie genannte Ziel stehe außer Frage: Die Ware soll angeboten oder in Verkehr gebracht werden.
Fazit
Egal, ob der Online-Riese von dem Markenrechtsverstoß weiß, oder nicht: Nach dem Gutachten des EuGH-Generalanwalts muss er haften, wenn die strittige Ware über das Programm „Versand durch Amazon“ verschickt wird. Schließlich könne das Unternehmen Mittel bereitstellen, um frühzeitig solche Markenrechtsverletzungen aufzudecken. Ob sich allerdings die Richter dem Gutachten anschließen, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
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