Bestehen Zweifel an der Echtheit von Patientenberichten auf einer Bewertungs-Plattform, ist ein entsprechender Hinweis des Betreibers zulässig. Mit dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Beschwerde eines Zahnarztes zurückgewiesen. Der Mediziner hatte zwar bestritten, die Rezensionen gekauft zu haben. An der Klärung der Herkunft der auffälligen Texte allerdings wollte er sich nicht beteiligen.
Mediziner fühlt sich unfair behandelt
E-Mail- und IP-Adressen der Verfasser deuteten nach Angaben von Jameda auf Anbieter für gekaufte Bewertungen hin. Wie immer in solchen Fällen nahm man mit dem Profilinhaber Kontakt auf. Manchmal lassen sich Zweifel an der Echtheit ja ausräumen, wenn die Rezensionen mit konkreten Behandlungen echter Patienten abgeglichen werden. Nachdem der Zahnarzt der Bitte um Aufklärung nicht nachkam, versah Jameda sein Profil mit einem Warnhinweis. Direkt sichtbar war zunächst ein rotes Ausrufezeichen neben der Gesamtbewertung. Bei Berührung dieses Bereichs mit der Maus öffnete sich ein Kästchen mit weiteren Erläuterungen. Unter anderem war da zu lesen:
Unterlassungsantrag im Eilverfahren
„Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profil haben wir Auffälligkeiten festgestellt, die uns veranlassen an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert. Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären. Der Profilinhaber bestreitet für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein.“ Der Zahnarzt, der auf Jameda ein kostenpflichtiges Profil mit den Zusatzoptionen „Platin“ und „Topplatzierung“ unterhielt, wollte diese Darstellung gerichtlich verbieten lassen. Doch das Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-03 O 167/20) lehnte im Juni 2020 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Angesichts der vorgelegten Beweise wiege das öffentliche Interesse schwerer als die Persönlichkeitsrechte des Mediziners.
Kein Hinweis auf „Lug und Betrug“
Eine Beschwerde gegen Entscheidung hatte nun auch vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. (Az. 16 W 37/20). Der Eingriff von Jameda in den Schutzbereich von Persönlichkeitsrecht und Gewerbebetrieb sei nicht rechtswidrig, so der Beschluss. Der Arzt würde durch den Hinweis auch nicht als „Lügner und Betrüger“ dargestellt, wie er das beanstandet hatte. Vielmehr sei eindeutig erkennbar, dass es sich um einen bloßen Verdacht handele, der vom Profilinhaber bestritten werde. Das Vorgehen der Plattformbetreiber sei von den Grundsätzen der sogenannten Verdachts-Berichterstattung gedeckt.
Fazit
Die Berufung auf angebliche Erpressungsversuche nahm das Gericht dem Zahnarzt nicht ab. Er hatte angegeben, Drohbriefe erhalten zu haben: Er solle den Erpressern 500,- Euro zahlen, andernfalls werde man Jameda positive Bewertungen zusenden. Das Gericht bezeichnete die Aussagen als widersprüchlich und nicht plausibel. So sei unverständlich, wieso mögliche Erpresser nicht mit der unmittelbaren Veröffentlichung von Negativ-Bewertungen gedroht hätten.
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Mit der Kennzeichnung fraglich manipulierter Bewertungen wird der Kollege diskreditiert. Weshalb entfernt man sie nicht einfach. War der klagende Zahnarzt Jameda-Kunde? Vermutlich nicht. Entscheidend ist doch, dass auch mit authentischen Bewertungen Bewertungs-Durchschnitte manipuliert werden können. Ein Tabuthema ist und bleibt offensichtlich die Manipulation von Bewertungs-Durchschnitten. Weshalb eine solche Patiententäuschung? Das macht genau dann Sinn, ist im Geschäftsinteresse, wenn man zahlende Kunden und nicht zahlende Zwangsgelistete hat, denn dann werden die Kunden belohnt, die Zwangsgelisteten unter Druck gesetzt „überzulaufen“. Jameda betreibt ein solches Geschäftsmodell, das lauterkeitsrechtlich nicht haltbar ist. Bewertungs-Durchschnitte lassen sich geschäftsfördernd manipulieren, indem man zweierlei Maß anlegt bei der Veröffentlichung oder beim Löschen von Negativ-Bewertungen. Bei Kunden ist man eher großzügig, bei Nicht-Kunden eher restriktiv. Das lässt sich einfach prüfen: man verwende in der Website von Jameda bei beliebigen Arztgruppen den sogenannten Filter. Bei den schlechten Noten 4, 5 und 6 findet man fast ausschließlich Kollegen ohne Profilfoto, also Nichtkunden. Von diesen schlechten Noten kauft man sich als Kunde offensichtlich frei. Weshalb setzt ausgerechnet hier die gesunde Skepsis aus? Das Tabuthema „Bewertungs-Durchschnitts-Manipulation“ muss endlich in den Fokus der Debatte rücken, denn dass derjenige, der bezahlt, besser dasteht als der Nicht-Zahler, bedeutet nichts anderes als Korrumpierung! Dass die Kammern keine Klage gegen Jameda wegen Verletzung des Lauterkeitsrechts einreichen, ist ein unverzeihliches Versäumnis. Jameda ist jedenfalls der Bock, der sich zum Gärtner macht.
Dr. Peter Gorenflos, Turmstraße 73, 10551 Berlin