Eine Entscheidung des LG Berlin sorgt derzeit für heftige Diskussionen. Es geht darin um Begriffe wie „Stück Scheisse“, „Drecks Fotze“ oder „Alte perverse Drecksau“. Die so bezeichnete Grünen-Abgeordnete Renate Künast wollte gegen die Verfasser der Facebook-Kommentare wegen Beleidigung vorgehen. Doch die Richter sahen darin lediglich zulässige Meinungsäußerung und „Auseinandersetzung in der Sache“.
Hate-Speech gegen Renate Künast
Sämtliche Kommentare bezogen sich auf einen geposteten Online-Artikel aus der Zeitung „Die Welt“. Berichtet wurde über die Aufarbeitung pädophiler Tendenzen bei den Grünen. Auch eine Diskussion im Berliner Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 1986 spielte dabei eine Rolle. Damals hatte ein CDU-Abgeordneter einen Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen angesprochen, wonach die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufgehoben werden solle. „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist“, hatte Renate Künast dazwischengerufen. Ein Facebook-User hatte den Artikel online gestellt und kommentiert: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt“.
Facebook sieht nur Meinungsäußerungen
Zahlreiche andere Nutzer hatten Künast daraufhin mit derben Beschimpfungen überzogen. Vor Gericht forderte die Politikerin von Facebook die Herausgabe der Daten von insgesamt 22 Profilen. Ihre Kommentare beinhalteten demnach Beleidigungen, Hate-Speech sowie unwahre Tatsachenbehauptungen zu Künasts Haltung gegenüber Geschlechtsverkehr zwischen Kindern und Erwachsenen. Die Vertreter des sozialen Mediums hingegen argumentierten: Alles nur zulässige Meinungsäußerungen.
„Dreckschwein“ keine Beleidigung
Wort für Wort ging das Landgericht Berlin (Az. 27 AR 17/19) die Kommentare durch – und konnte in keinem Fall einen Rechtsverstoß entdecken. Die Formulierung „Der wurde in den Kopf geschi…“ beispielsweise werteten die Richter im Zusammenhang mit dem Zeitungsartikel als „sachbezogene Kritik“. Gleiches gelte für die Bezeichnungen „Schlampe“, „Gehirn Amputiert“ und „Kranke Frau“. Der Kommentar „Drecks Fotze“ bewege sich haarscharf an der Grenze, müsse von Künast aber noch hingenommen werden. „Sie alte perverse Drecksau!!!!!“ hingegen übe nur Kritik an Künasts Äußerung aus dem „Welt“-Bericht. Solange ein solcher Sachbezug erkennbar sei, müsse sich eine Politikerin auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen, so die Richter. Schließlich sei nicht feststellbar, dass es den Kommentatoren nur um die Diffamierung ihrer Person gegangen sei.
Fazit
Weil es auch bei der eigentlichen Diskussion um das Thema Sexualität ging, seien auch sexualisierte Kommentare legitim, so die Richter. Weitere Beschimpfungen könnten als Auseinandersetzung in der Sache angesehen werden. Mit seinem Urteil stößt das Berliner Landgericht weitgehend auf Unverständnis unter Politikern und Juristen. Renate Künast hat bereits angekündigt, Beschwerde einzulegen.
Anzeige




