Auch die Justiz praktiziert Social Distancing. Um die Ausbreitung des Covid-19-Virus einzudämmen, beschränken sich Gerichte auf absolut notwendige Verhandlungen. Eine daraus resultierende Verlängerung der Untersuchungshaft müssen Beschuldigte unter bestimmten Umständen hinnehmen. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe im Fall des Angeklagten in einem Mordprozess entschieden.
Junge Frau wurde erwürgt
Seit dem 24. September 2019 befindet sich der 24-jährige Angeklagte in Haft. An diesem Tag um die Mittagszeit soll er seine ehemalige Freundin erwürgt haben, die sich kurz zuvor von ihm getrennt hatte. Gegenüber Polizei und Justiz hat sich der Mann in der Sache bisher nicht geäußert. Den Eltern der Frau allerdings hat er die Tat in einem Brief gestanden und sein Bedauern ausgedrückt. Beweislage, Schuldumfang und rechtliche Einordnung sollten ab dem 9. März vor dem Landgericht Baden-Baden erfolgen. Doch noch vor dem zweiten Prozesstag setzte das LG die Hauptverhandlung aus. Die Verfahrensbeteiligten, Gerichtspersonal und Zuhörer sollten so vor einer möglichen Ansteckung mit Covid-19 geschützt werden.
Infektionsgefahr bei Verhandlung
Nachdem der Prozess auf Mai 2020 verschoben wurde, beantragte die Verteidigung, den Haftbefehl gegen den 24-Jährigen aufzuheben. Eine Forderung, der das zuständige Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. HEs 1 Ws 84/20) nicht nachkam. In der Begründung führte es den dringenden Tatverdacht des Mannes auf, dem im Falle einer Verurteilung lebenslange Haft bevorstehe. Weil er außerdem ledig und kinderlos sei, müsse mit dem Untertauchen des Beschuldigten gerechnet werden.
Außergewöhnliche Umstände
Nach § 121 Absatz 1 der Strafprozessordnung darf eine Untersuchungshaft nur ausnahmsweise länger als sechs Monate andauern. Und auch nur dann, wenn ein „wichtiger Grund“ für die Verzögerung des Urteils verantwortlich ist. Dies sei hier der Fall, so das OLG: Nur durch die Aussetzung der Hauptverhandlung habe man die mögliche Ansteckung einer großen Zahl von Menschen mit dem Erreger Covid-19 verhindern können. Bei der Pandemie handele es sich um einen außergewöhnlichen und von niemandem zu vertretenden Umstand.
Fazit
Sie seien sicher, dass das zuständige Landgericht die Entscheidung zum Aussetzen des Verfahrens nicht leichtfertig getroffen habe, so die Richter. Man habe sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und sei gleichzeitig der Empfehlung des baden-württembergischen Justizministeriums gefolgt. Angesichts der Entwicklung der Pandemie bleibe abzuwarten, ob der neue Verhandlungstermin im Mai eingehalten werden könne. Gegebenenfalls müsse rechtzeitig geprüft werden, ob die Besucherzahl reduziert werden könnten oder eine Video-Übertragung aus dem Gerichtssaal infrage komme.
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