Ein zur Tatzeit elf Jahre alter junger Mann und sein Großvater müssen nicht für eine Urheberrechtsverletzung aus dem Jahr 2014 haften. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass der Enkel über Opas Internet-Anschluss eine Tauschbörse besucht hat. Dass er damit rechtswidrig handelte, konnte der Junge nach Ansicht des Gerichts aber noch nicht begreifen.
Abmahner gehen leer aus
Über sechs Jahre hinweg versuchten die Rechteinhaber eines Computerspiels vergeblich, Schadensersatz für illegales Filesharing zu erhalten. Dabei stand der „Täter“ von Anfang an fest. Ein Elfjähriger hatte im Januar 2014 ein Wochenende bei seinem Großvater verbracht. Dort besuchte er eine Webseite, die ihm von Freunden empfohlen worden war. Dass es sich um eine illegale Tauschbörse handelte, sei ihm damals nicht bewusst gewesen, so der heute Volljährige. Mit der Anleitung in einem Youtube-Video habe er es geschafft, ein Game herunterzuladen. Ohne zu ahnen, dass er den Inhalt damit selbst für andere zum Download anbot. Das Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-03 O 15/19) zweifelte nicht an seiner Aussage.
Sogar für Erwachsene schwer verständlich
Die Nutzung illegaler Tauschbörsen sei eine der abstraktesten Rechtsverletzungen überhaupt, so das Gericht. Sie beinhalte ja nicht nur das unentgeltliche Herunterladen von Inhalten. Vielmehr werde der eigene Computer gleichzeitig Teil des Netzwerks und halte die Dateien zum Download für andere bereit. Der Vorgang sei also überdurchschnittlich komplex. Er könne „nicht im Entferntesten“ mit Körper- oder Eigentumsverletzungen verglichen werden, die für Kinder greifbar und verständlich seien. Sogar Erwachsene täten sich oft schwer mit der Erkenntnis, dass das Kopieren oder Veröffentlichen von Daten im Netz strafbar sei. Ein elfjähriges Kind sei damit zwangsläufig überfordert.
Keine Aufsichtspflicht für Opa
Auch gegen den Großvater können die Rechteinhaber keine Ansprüche geltend machen, so das Gericht. Denn die gesetzliche Aufsichtspflicht obliegt bei minderjährigen Kindern grundsätzlich den Eltern. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Enkel ein Wochenende bei Opa verbringt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Aufsichtspflicht bei einer längeren Abwesenheit einer anderen Person zu übertragen. Hier sieht das Gesetz aber besondere Regelungen vor. Wer für einen Nachmittag den Nachwuchs von Freunden zu Besuch hat, übernimmt also nicht stillschweigend die gesetzliche Aufsichtspflicht. Gleiches gilt, wenn Minderjährige kurzzeitig von Verwandten betreut werden.
Fazit
Der „Täter“ war nach eigenen Angaben mehrmals darauf hingewiesen worden, dass er „nichts Illegales“ aus dem Netz herunterladen oder sich an Tauschbörsen beteiligen solle. Legale Downloads habe er aber nutzen dürfen. Den Unterschied zwischen erlaubten und unzulässigen Angeboten zu erkennen, sei für einen Elfjährigen praktisch unmöglich, so das Gericht.
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