Die Kommission der Europäischen Union sieht deutliche Hinweise für einen Missbrauch der Marktmacht des Online-Riesen Amazon. In einem Verfahren, das im vergangenen Juli eingeleitet wurde, liegen nun die Vorwürfe auf dem Tisch. Und nicht nur das: Die EU hat bereits eine zweite Untersuchung gestartet, in der es um bestimmte Verkaufspraktiken auf dem Marketplace geht.
Zugriff auf nicht-öffentliche Daten
Die Marktmacht beruht im Wesentlichen auf der Doppelfunktion des Unternehmens. Mit dem Marketplace stellt es unabhängigen Händlern eine Plattform zur Verfügung, über die sie Millionen von Kunden erreichen können. Gleichzeitig aber bietet das Unternehmen hier selbst Produkte an und tritt somit als Konkurrent auf. Als Plattform-Anbieter erhält Amazon Einblick in zahlreiche wichtige Geschäftsdaten der Händler: Klick-Zahlen für einzelne Produkte, Bestellungen, Einnahmen, in Anspruch genommene Garantien und so weiter. Informationen, auf die Konkurrenten normalerweise keinen Zugriff haben. Der Mitbewerber Amazon aber wertet die Angaben aus, um eigene Geschäftsentscheidungen danach auszurichten.
Zweite Untersuchung gestartet
Die Kommission hat nun in dem bereits laufenden Verfahren den nächsten formalen Schritt vollzogen: Sie hat Amazon offiziell informiert, dass der Konzern nach vorläufiger Auffassung gegen Kartellvorschriften der Europäischen Union verstößt. Gleichzeitig hat sie ein zweites Verfahren eingeleitet. Dem liegt der Verdacht zugrunde, dass der Plattform-Betreiber bestimmte Marketplace-Angebote besonders vorteilhaft darstellt. Es handelt sich zum einen um Produkte aus dem eigenen Sortiment des Online-Riesen. Betroffen sind aber auch Waren solcher Händler, die Logistik- und Versandangebote von Amazon nutzen.
Partner-Händler bevorzugt?
Konkret geht es bei dieser Bevorzugung um die Frage, welche der unter „Andere Händler“ aufgeführten Produkte mit Sofortklick in den „Einkaufswagen“ gelegt werden können. Außerdem dürfte sich verkaufsfördernd auswirken, wenn Anbieter mit ihren Waren am Prime-Programm teilnehmen können. Prime-Kunden bestellen häufiger und kaufen dabei mehr Produkte ein als andere. Sollte sich herausstellen, dass diese Ungleichbehandlung tatsächlich gängige Praxis ist, läge auch hier ein Wettbewerbsverstoß vor.
Fazit
Die EU will nicht zulassen, dass Online-Riese Amazon seine Marktmacht zum Nachteil anderer Anbieter ausnutzt. Ein vor einem Jahr eingeleitetes Kartellverfahren hat den bestehenden Verdacht nicht aus der Welt geschafft, sondern eher erhärtet. Ein zweites Verfahren soll nun weitere Vorwürfe prüfen. Sollte die Kommission den Marktmissbrauch eindeutig nachweisen, könnte das für Amazon teuer werden.
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