„Leistung: befriedigend“
Kläger war ein Elektriker, der nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit bei einem Unternehmen gekündigt hatte. Das ausgestellte Arbeitszeugnis entsprach seiner Meinung nach nicht den gesetzlichen Forderungen. Unter dem Stichwort „Aufgabenstellung“ waren dort verschieden Tätigkeiten aufgezählt. Darunter hatte man wie bei einem Schulzeugnis in mehreren Spalten verschiedene Beurteilungskriterien aufgeführt. Unter anderem gehörten dazu Fachkenntnisse, Arbeitsqualität, Arbeitstempo und Pünktlichkeit. Die nächste Spalte enthielt die Bewertungen von „sehr gut“ über „gut“ bis „befriedigend“. Darunter folgte noch eine „Verhaltensbeurteilung“, eingeteilt in die Kategorien „Verhalten zu Gleichgestellten“, „zu Einweisenden“ und „zu Vorgesetzten“. Hier waren neben den Schulnoten auch Bemerkungen wie „teambereit“ oder „höflich und zuvorkommend“ genannt.
Gestaltung wie Schulzeugnis
Die Kritik des Arbeitnehmers bezog sich nicht nur auf einzelne „Noten“, die er für ungerechtfertigt hielt. Ihm ging es um die gesamte äußere Form, die an ein Schulzeugnis mit Schulnoten erinnerte. Eine solche Darstellung sei unüblich und könne deshalb bei zukünftigen Bewerbungen einen negativen Eindruck hervorrufen, so seine Klage. Das Unternehmen sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, ihm ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen.
Zu wenig Aussagekraft
Das Bundesarbeitsgericht (Az. 9 AZR 262/20) gab dem Kläger recht. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis müsse auf den oder die Beschäftigte zugeschnitten sein sowie persönliche Leistung und Verhalten dokumentieren. Das sei nur möglich in einem Fließtext, der speziell für den Einzelfall formuliert werde. Eine tabellarische Darstellung von Tätigkeiten und die Vergabe von „Schulnoten“ hingegen reichten nicht aus. Für die Leser sei es ja gerade von hohem Interesse, die besonderen Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erfahren. Das sei bei einer so allgemein gehaltenen Formulierung unmöglich, weil besonders prägende Merkmale zu kurz kämen.
Fazit
Auf den ersten Blick könnte man das Gefühl haben, ein tabellarisches Zeugnis mit Schulnoten sei besonders objektiv und präzise, so die Richter. Doch dieser Eindruck täusche. Bei Schülerinnen und Schülern werde schließlich nur beurteilt, ob sie einen festgelegten Lehrplan erfolgreich abgearbeitet hätten. Das Arbeitszeugnis müsse aber zahlreiche weitere Faktoren berücksichtigen: die Besonderheiten des Betriebs, die individuelle Funktion des Angestellten und so weiter. Erst die besonderen Nuancen des Arbeitsverhältnisses machten das Zeugnis aussagekräftig für künftige Bewerbungen.
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