Negativ-Urteil ohne Klarnamen und Begründung
Wollte der Urheber besonders witzig sein, oder ging es darum, den Inhaber einer kieferorthopädischen Praxis zu provozieren? Jedenfalls verwendete er als Pseudonym den Namen des Arztes selbst, um auf dessen Google+-Account die niedrigste Bewertung zu vergeben. Ob er tatsächlich mit den Leistungen der Praxis unzufrieden war oder ihr aus anderen Gründen Schaden zufügen wollte, blieb für den Leser unklar. Auch der Mediziner selbst weiß bis heute nur, dass er einen Patienten dieses Namens nie behandelt hat. Trotzdem beeinflusst der eine Stern seine Durchschnittsbewertung. Und damit auch die Einschätzung potenzieller Kunden, die seine Praxis im Internet suchen.
Google : „Alles zulässige Meinungsäußerung“
Nachdem der Suchmaschinen-Anbieter den Löschantrag zurückwies, reichte der Arzt Klage ein. Das Landgericht Lübeck betonte, dass bei Bewertungen im Internet immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Im Klartext: Was wiegt hier schwerer – das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit oder das auf Schutz der Persönlichkeit? Dabei berücksichtigte die Kammer mehrere Faktoren. So handele es sich bei dem Account mit dem provokanten Namen des Praxisinhabers wahrscheinlich um einen Fake. Falls der Name aber echt sei, dann habe der Arzt den Mann nachweislich nie behandelt. Die Bewertung ohne weiteren Text sei zwar wenig konkret, schädige aber dennoch den Ruf der Praxis. Insgesamt würden die Persönlichkeitsrechte des Kieferorthopäden also zweifellos beeinflusst.
Gericht: „Wer Rechtsverletzung ermöglicht, unterliegt Pflichten“
Obwohl Google nicht der Urheber der Kritik sei und sie sich auch nicht zu eigen mache, müsse das Unternehmen in einem solchen Fall handeln. Das LG Lübeck verwies auf das Jameda-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016. Demnach unterliegen die Anbieter von anonymen Bewertungsportalen besonderen Prüfpflichten. Angesichts des Schadens für den Arzt hätte Google Kontakt zu dem registrierten Bewerter aufnehmen müssen. Für die Praxis selbst war das aufgrund des Pseudonyms unmöglich. Somit habe Google seine Prüfpflichten verletzt und müsse die Bewertung löschen.
Fazit:
Eine Ein-Stern-Bewertung ohne weitere Angaben mag für Interessenten nicht besonders aussagekräftig sein. Einen negativen Eindruck hinterlässt sie aber allemal. Und sei es nur, weil sie den Bewertungsschnitt nach unten zieht. Nach Ansicht des Landgerichts Lübeck wiegt der Schaden für den Kritisierten schwerer, als die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Löschen eines solchen Urteils. Dabei berücksichtigt das LG aber auch die Anonymität des Accounts: Es ist fraglich, ob der eine Stern überhaupt aufgrund einer Tatsachenerfahrung vergeben wurde.
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