Worum geht's?
Künstliche Intelligenz (KI) ist aus der Praxis vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Ob im Kundenservice, im Marketing oder im Projektmanagement: KI-Tools wie ChatGPT steigern die Effizienz und Produktivität. Kein Wunder also, dass sich viele Unternehmen fragen: Kann eine KI auch meinen Anwalt ersetzen? Können KI-Chatbots wie ChatGPT denn überhaupt rechtliche Fragen beantworten bzw. Rechtsberatung geben?
1. KI & Rechtsberatung im Praxistest
Damit Sie eine Vorstellung bekommen, was KI kann bzw. nicht kann, haben wir einen Praxistest durchgeführt. Im Mai 2025 haben wir ChatGPT - GPT-4o (ChatGPT Team-Version) zwei juristische Fragen zum Internetrecht gestellt und uns die Antworten genauer angesehen.
Beispiel 1- Welche Pflichtangaben muss meine Webseite enthalten?
ChatGPT listet eine Menge an Anforderungen, die größtenteils korrekt sind. Das Problem ist, dass nicht alle Pflichtangaben einer Webseite aufgelistet werden und teils falsche und sogar erfundene Anforderungen (sog. Halluzination) aufgelistet werden.
Auch ChatGPT selbst weist darauf hin: “Diese Antwort stellt keine Rechtsberatung dar, sondern dient der allgemeinen Information. Lassen Sie Ihre konkreten Anwendungsfälle von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen.”
Einige Fehler haben wir Ihnen nachfolgend aufgelistet.
ACHTUNG - DAS STIMMT SO NICHT
- Das TMG wurde 2024 ersetzt und somit ist ein Verweis auf § 5 TMG falsch. Das Telemediengesetz (TMG) wurde zum Digitale Dienste Gesetz (DDG).
- Wenn Sie Bilder von Dritten auf Ihrer Webseite verwenden, müssen Sie die Urheber der Bilder benennen. Darauf weist ChatGPT Sie beispielsweise nicht hin.
- Zwar erwähnt ChatGPT, dass Sie Drittanbieter-Dienste in der Datenschutzerklärung angeben müssen, jedoch werden Sie nicht darüber informiert, dass Sie auch einen Cookie-Banner benötigen.
- Für die Datenschutzerklärung sind zwar einige Pflichtangaben aufgelistet, jedoch nicht alle. Es fehlt u.a. die Angabe zur Speicherdauer.
- Zwar erwähnt ChatGPT Barrierefreiheit für Webseiten öffentlicher Stellen. Jedoch erwähnt ChatGPT nicht, dass auch andere Webseiten ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei sein müssen.
Ähnliche Fehler treten auch auf, wenn Sie sich Ihre Rechtstexte von KI-Systemen wie ChatGPT erstellen lassen wollen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag: Kann mir ChatGPT meine Datenschutzerklärung und mein Impressum erstellen?
Sie wollen wissen, wie Sie ihre Website rechtssicher gestalten?
Lesen Sie unseren umfassenden Artikel zum Thema: Website rechtssicher & abmahnsicher gestalten.
Beispiel II - Wie gebe ich Preise in meinem Online-Shop rechtssicher an?
ACHTUNG - DAS STIMMT SO NICHT
- Laut ChatGPT soll der Grundpreis in unmittelbarer Nähe der Preisangabe angegeben werden. Das ist jedoch veraltet. Seit 2022 reicht es aus, dass der Grundpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ ist.
- Außerdem werden Sie nicht darauf hingewiesen, dass Sie - außer bei loser Ware - die Angabe nicht pro 100 g oder 100 ml vornehmen dürfen, sondern sich der Grundpreis auf 1 Kilogramm oder 1 Liter beziehen muss.
- Auch informiert ChatGPT nicht darüber, wie Sie Streichpreise angeben müssen. Hier gibt es seit 2022 klare Regeln und Sie müssen den niedrigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage als durchgestrichenen Preis angeben.
2. Warum Sie KI nicht als Rechtsberatung einsetzen sollten
Trotz aller technologischen Fortschritte gibt es mehrere Gründe, warum Sie KI-Anwendungen nicht als Rechtsberatungen nutzen sollten:
- Fehleranfälligkeit: KI-Systeme neigen zu Fehlern und sog. Halluzinationen - das ist kein Geheimnis. Diese Fehler können Sie jedoch nur erkennen, wenn Sie selbst juristische Expertise haben.
- Haftung: Wer haftet, wenn die KI falsch "berät"? Aktuell gibt es keine klaren Haftungsregelungen für KI-generierte Inhalte. Auch die KI-Verordnung enthält dazu keine Regelungen. Grundsätzlich haften Sie, wenn Sie sich auf die Informationen verlassen.
- Aktualität: KI-Modelle wie ChatGPT greifen auf riesige Datenmengen zurück, können aber nicht garantieren, dass ihre Ausgaben immer korrekt und aktuell sind. Gerade in rechtlichen Fragen ist es aber unverzichtbar, aktuelle Entwicklungen, Rechtsprechung und neue Gesetze zu berücksichtigen.
- Fehlende Einzelfallbewertung: Jeder rechtliche Fall ist individuell. Eine KI kann allgemeine Informationen liefern, aber keine Einzelfallprüfung mit allen relevanten Faktoren durchführen.
- Menschliche Intelligenz: Zudem fehlt es KI-Systemen an juristischer Intelligenz im menschlichen Sinne. Sie kann Inhalte nur auf Basis von Wahrscheinlichkeiten und gelernten Mustern wiedergeben. Der Verstand, Empathie und Erfahrungswerte hinter einer fundierten Rechtsberatung fehlen.
WICHTIG
KI sollte für Ihre rechtlichen Fragen maximal nur eine erste Orientierung darstellen. Die finale rechtliche Bewertung und Prüfung sollten Sie immer einem Anwalt für Internetrecht überlassen – sonst drohen Ihnen schnell Abmahnungen, Vertragsnichtigkeit oder Haftungsprobleme.
Etwas anderes gilt für Juristen und Anwälte, die KI einsetzen. Ob Rechtsabteilung oder Legal-Tech-Unternehmen - KI-Technologien werden im Rahmen von KI-Projekten zur Effizienzsteigerung bereits getestet und eingesetzt. Zum Beispiels für folgende Zwecke:
- Gesetzestexte und Urteile analysieren & zusammenfassen
- Vorschläge für Vertragsmuster und Klauseln erstellen
- Verträge vorab prüfen & Risiken identifizieren
KI-Technologien haben in der Rechtsbranche enormes Potenzial für Transformation – insbesondere zur Unterstützung von Anwälten und Rechtsabteilungen. Anwälte sind jedoch auch Experten und dadurch in der Lage, die juristischen Antworten einer KI-Anwendung einzuordnen und Halluzinationen zu erkennen.
3. Fazit: Kann KI einen Anwalt ersetzen?
Nein. KI kann keinen Anwalt ersetzen und Sie sollten sich nicht auf die Antwort eines KI-Bots auf Ihre juristischen Fragen verlassen. KI-Systeme wie ChatGPT machen inhaltliche Fehler oder sind juristisch - zumindest zum aktuellen Zeitpunkt - nicht auf dem neuesten Stand. Diese Fehler müssen Sie am Ende ausbaden, indem Sie abgemahnt werden und auf den Kosten sitzen bleiben.
Sie können KI jedoch in der Praxis einsetzen, um eine erste Orientierung zu erhalten. Die rechtliche Absicherung sollten Sie dann jedoch Ihrem Anwalt überlassen.
Die Entwicklung von KI wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten schnell voranschreiten und es ist nicht auszuschließen, dass langfristig KI zumindest auf unkomplizierte juristische Fragen eine korrekte Antwort parat hat. Zum jetzigen Zeitpunkt birgt der Einsatz von KI-Tools für rechtliche Fragen jedoch zu viele Risiken.