Im Prinzip ja! In der konkreten Praxis, wird sich die Sachlage allerdings komplexer darstellen, als dies die neue gesetzliche Regelung glauben lässt.
Anspruch muß geltend gemacht werden
Zwar kann der Vergütungsanspruch durch vertragliche Vereinbarungen nicht ausgeschlossen und insbesondere nicht durch Umgehungsgeschäfte ausgehebelt werden. Dies hält nun § 32 Abs. 3 Satz 2 UrhGE ausdrücklich fest. Dem Künstler kann also der Anspruch auf ein Ausstellungsentgelt nicht dadurch genommen werden, dass ihm z. B. in atypischer Weise und zum Schein die Wand zum Aufhängen des Bildes vermietet wird und mit diesem Mietzinsanspruch dann gegen das Nutzungsentgelt aufgerechnet wird usw. Das neue Gesetz schreibt also nicht nur den Vergütungsanspruchs fest, sondern stellt auch Hindernisse für die erwarteten Umgehungsbemühungen auf. Insoweit hat sich die Rechtslage im Urheberrecht für die Künstler tatsächlich deutlich verbessert.
Allerdings muß der Künstler - bzw. seine Vertretung - seinem gesetzlichen Anspruch selbst zur Verwirklichung verhelfen, bevor wirklich Geld fließt. Denn ganz sicher werden auch nach dem 01.07.2002 Verträge mit Künstlern abgeschlossen werden, die keinesfalls eine angemessene Vergütung beinhalten. Von den bereits jetzt geschlossenen Altverträgen ganz zu schweigen. Hier wird der Künstler erst noch an seinen Vertragspartner herantreten und im Zweifel den behaupteten Anspruch im Gerichtswege durchsetzen müssen.
Problematisch ist dies u.a. deshalb, weil durch das Gesetz selbst der konkrete Inhalt des Vergütungsanspruchs noch gar nicht festgelegt ist. Denn wann im konkreten Einzelfall eine Vergütung angemessen ist, lässt sich - soweit tarifvertragliche oder verbandsmäßige Vereinbarungen noch nicht vorliegen - dem Gesetz so nicht unmittelbar entnehmen. Natürlich wurde diese Problematik der individuellen Bemessung auch bereits bei der Gesetzgebung erkannt. Die Angemessenheit der Vergütung kann den neuen Regelungen zufolge im Einzelfall im wesentlichen auf zwei verschiedenen Wegen festgestellt werden.
Vereinbarung allgemeiner Vergütungsregeln
Zum einen sollen insoweit allgemeine Vergütungsregeln zwischen Urhebervereinigungen und Nutzervereinigungen bzw. auch einzelnen Werknutzern vereinbart werden. Hier setzt aber schon das nächste Problem an. Was ist, wenn sich die jeweiligen zuständigen Verbände auf eine gemeinsame Regelung nicht einigen können? Diese Frage ergibt sich nicht nur aus den gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen von Urhebern und Verwertern. Vielmehr wurde sie auch bereits durch die massive Lobbyarbeit der Verwerter im Rahmen Gesetzgebung aufgeworfen. Dass nun im Wege der Vereinbarung zügig und problemlos für die Künstler akzeptable Vergütungsregelungen aufgestellt würden, wurde daher auch vom Gesetzgeber bezweifelt. Deshalb wurde die Möglichkeit eingerichtet, eine Schlichtungsstelle anzurufen, die dann auch einen Einigungsvorschlag für die gemeinsamen Vergütungsregelungen unterbreiten muss. Allerdings ist der Vorschlag der Schlichtungsstelle für die Parteien nicht verbindlich. Er wird nur verbindlich, wenn ihm beide Parteien zustimmen. Es besteht also durchaus die Möglichkeit für eine der Parteien - auch nach Einschalten der Schlichtungsstelle - das Zustandekommen von Vergütungsregeln zu boykottiert.
Hier haben sich die Verwerter gegen den ursprünglichen Gesetzesentwurf durchgesetzt. Weitere Verfahrensschritte sind für den Fall einer solchen Blockade nicht mehr vorgesehen. Die Urheber hätten also in diesem Fall zunächst das Nachsehen.
In der Begründung der Regierung hieß es zwar, man werde die Verfahrensabläufe insoweit sorgfältig beobachten, ob der Gesetzgeber erneut zum Handeln aufgerufen sei. Ob diese Aussage aber mehr ist als beschönigender Theaterdonner scheint mehr als zweifelhaft. Immerhin handelt wurde mit Beschlussfassung im Januar ein langjähriges und intensives Gesetzesverfahrens abgeschlossen, das weder so schnell wieder aufgegriffen, geschweige denn zu einem anderen Ergebnis geführt werden wird.
Alternative Verhandlungsergebnisse
Es ergeben sich für die Vereinbarung allgemeiner Vergütungsregelungen in der Zukunft drei Alternativen. Die eine vom Gesetzgeber gewünschte Alternative besteht im Abschluss akzeptabeler Vergütungsregelungen, die dann auch im Einzelfall als Richtschnur für vergleichbare Vergütungsansprüche dienen können.
Die zweite nach dem Gesetzeswortlaut immerhin mögliche Alternative besteht im dauerhaften Scheitern entsprechender Verhandlungen und im Nicht-Abschluss allgemeiner Vergütungsregelung. Der Künstler hätte dann bei einer späteren Auseinadersetzung mit einem Werknutzer individuell vor Gericht darzulegen, welche Vergütung für die in Rede stehenden Nutzung angemessen ist und welche nicht. Dem Künstler bleibt dann lediglich der Trost, den ihm der Gesetzgeber mit auf den Weg gab: Er könne ja dann den nicht rechtswirksam gewordenen Schlichtungsspruch verwenden, indem er ihn in dem Gerichtsverfahren, in dem er seinen Vergütungsanspruch einklage, vorlegen, um die Angemessenheit seines Anspruchs zu belegen. Ob dieser Rat aber tatsächlich so realistisch ist, wird hier bezweifelt. Denn nicht nur der Schlichtungsspruch, sondern auch das eingelegte Veto kann sehr wohl begründet und für den jeweils gegebenen Einzelfall auch durchschlagend sein. Mehr als ein widerlegbares Indiz dürfte daher der nicht wirksam gewordene Schlichtungsspruch keinesfalls sein. Immerhin aber, so mag man sich trösten: Weniger ist besser als nichts.
Problematischer als das vollständige und dauerhafte Scheitern von Verhandlungen könnte die dritte Alternative sein, wonach sich Künstlerverbände um nur überhaupt eine Regelung herbeizuführen, auf einen Kompromiss einlassen, bei dem ein wesentlich zu geringes Entgelt vereinbart wird. Der Künstler, der unter diese Regelung fällt, wird es im Einzelfall sehr schwer haben, günstigere Abschlüsse auszuhandeln bzw. vor Gericht durchzusetzen.
Redliche Übung
Neben dieser Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung durch die Vereinbarung allgemeiner Verbandsregelungen wurde allerdings im Gesetz noch eine allgemeine Definition dessen, was angemessen ist, aufgestellt. Angemessen ist hiernach, was im Geschäftsverkehr nicht nur üblicherweise, sondern auch redlicherweise für die jeweilige Rechtseinräumung geleistet werden sollte. Durchaus mit Kenntnis der Tücken der Branche stellt der Gesetzgeber in dieser Definition nicht einfach darauf ab, was in der Branche tatsächlich üblicherweise geleistet wird. Es war den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten durchaus bekannt, dass in vielen Bereichen der Kunstbranche Dinge üblich sind, die nicht als redlich bezeichnet werden können. Deswegen ist nicht nur zu leisten, was üblich ist, sondern das, was eigentlich redlicherweise zu leisten wäre.
Dies trifft wohl etwa exemplarisch einen Großteil der Übersetzergilde, die - so offensichtlich auch vom Gesetzgeber gesehen - in großen Bereichen üblicherweise unredlich und in unangemessener Weise entlohnt werden. In diesem Bereich werden daher auch bereits die ersten Ansprüche auf Nachzahlung geltend gemacht. Richtig ist an diesem sehr zügigen Vorgehen, dass hier die gesetzlich gegebene Chance überhaupt genutzt wird. Denn mehr als die meisten anderen Gesetze kann die Novellierung des Urhebervertragsrechts die Kraft nur dann entfalten, wenn es von den Begünstigten, d. h. hier von den Künstlern auch tatsächlich genutzt wird und die Ansprüche auch tatsächlich geltend gemacht werden.
Wenn auch aus Sicht der Urheber der ein oder andere Kompromiss im Gesetzgebungsverfahren nicht durchweg als positiv zu bewerten ist, so ist doch gerade den Urhebern zu wünschen, dass das insoweit Erreichte nicht als leere Floskel lediglich auf dem Papier stehen bleibt, sondern umgesetzt wird. Insoweit sind die Verbände Verhandeln und Künstler nunmehr zum Handeln aufgerufen.
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