Worum geht's?
Online-Coaching, Online-Akademien und digitale Selbstlernkurse boomen – doch rechtlich bewegen sich viele Anbieter auf dünnem Eis. Ein aktuelles BGH-Urteil stellt klar: Wer Online-Programme gegenüber Verbrauchern und Unternehmern anbietet, muss prüfen, ob eine Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) erforderlich ist. Gilt Ihr Angebot als Fernunterricht und Sie haben keine Zulassung, drohen weitreichende Folgen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie genau der BGH entschieden hat, wann Sie betroffen sind und wie Sie Ihre Kurse rechtssicher gestalten können.

1. Wann brauchen Online-Kursanbieter eine Zulassung nach dem FernUSG?
Das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht definiert Fernlehrgänge in § 1 Abs. 1 FernUSG als:
"Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen."
Daraus ergeben sich drei Kriterien. Treffen alle drei auf Ihr Kursangebot zu, betreiben Sie Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes und müssen Ihren Kurs gem. § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) von der staatlich zuständigen Stelle zulassen.
Kriterium 1: Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen
Als erstes muss der Kurs dem Lernenden gegen Geld Fähigkeiten oder Kenntnisse beibringen.
BEISPIELE AUS DER PRAXIS
Bsp. 1: Ein bezahlter Online-Kochkurs für Einsteiger bringt dem Teilnehmer die Grundlagen in der Küche bei.
Bsp. 2: Eine kostenpflichtige Online-Akademie, die Schüler beim Lernen für Abitur und MSA unterstützt.
Bsp. 3: Eine Online-Plattform, auf der Fahrschüler für die theoretische Führerscheinprüfung lernen können.
Handelt es sich bei Ihrem Kurs also um ein kostenpflichtiges Angebot, ist bereits eines der drei Kriterien erfüllt. Wichtig ist an dieser Stelle, dass es sich um die Vermittlung von Kenntnissen handeln muss.
Eine individuelle Beratung oder Begleitung bei der Persönlichkeitsentwicklung durch Online-Coaching oder eine Unterstützung bei persönlichen Krisen durch einen Life-Coach sind hiervon klar abzugrenzen.
Vermitteln Sie hingegen in einem Business Mentoring Programm Wissen, kann es sich um klassischen Fernunterricht nach § 1 FernUSG handeln.
WEITERLESEN
In unserem Artikel “Rechtssicher coachen: Was Sie beim Personal-, Business- & Life-Coaching unbedingt beachten sollten” lesen Sie mehr zum Thema “Online-Coaching”.
Kriterium 2: ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt
Die Voraussetzung, ob bzw. wann eine räumliche Trennung vorliegt, wurde von der Rechtsprechung bisher sehr unterschiedlich beurteilt. Eine überwiegende räumliche Trennung wird angenommen, wenn mehr als 50 % der Lerninhalte zeitversetzt vermittelt werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) über die Nichtigkeit eines Vertrages zu einem Mentoring-Programm entschieden, der eine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) benötigt hätte.
Mehr Informationen zur Entscheidung des BGH finden Sie in unserer News “Wichtiges Urteil für Coaches, Berater & Dozenten - Das müssen Sie jetzt wissen”.
Aufgepasst: Der BGH hat entschieden, dass eine Aufzeichnung eines Online-Meetings wie auch das Selbststudium durch Selbstlern-Videos oder E-Books als asynchrone Vermittlung von Inhalten zählen und daher das Merkmal einer räumlichen Trennung erfüllen.
BEISPIELE AUS DER PRAXIS
Bsp.1: Das FernUSG ist nicht anwendbar, wenn die Online-Seminare als synchrone Online-Meetings ausschließlich über Zoom stattfinden und eine Abrufung als Wiederholung für die Teilnehmer nicht möglich ist.
Bsp. 2: Ein Anbieter ermöglicht wöchentlich ein 6-stündiges Live-Training und stellt zusätzlich optional 20 Stunden Videomaterial für die Nacharbeit zur Verfügung. Die asynchrone Vermittlung von Lerninhalten überwiegt in diesem Fall.
Kriterium 3: der Lernerfolg des Kursbesuchers muss überwacht werden
Neben der entgeltlichen Vermittlung von Kenntnissen und der räumlichen Trennung spielt das Kriterium der Überwachung des Lernerfolgs eine wesentliche Rolle. Viele Kursanbieter fragen sich nun, wann dieses Kriterium erfüllt ist.
Der Bundesgerichtshof beantwortet in seiner aktuellen Entscheidung (Az. III ZR 109/24) die Frage und legt die Überwachung des Lernerfolgs weit aus. Ausreichend sei die Möglichkeit für den Lernenden, dem Lehrenden Fragen zu stellen, wodurch der Lehrende Rückschlüsse auf den Lernstand ziehen könne.
Dies bedeutet, dass auch reine Whatsapp-Gruppen für Rückfragen der Lernenden bereits das Merkmal der Überwachung des Lernerfolgs erfüllen.
- Prüfungsaufgaben wie Multiple Choice, Drag-and-Drop, Lückentexte,
- Checklisten,
- mündliche Kontrollen durch Fragen des Lehrenden an den Lernenden,
- Whatsapp- oder Facebook-Gruppen für Rückfragen oder Rückmeldungen, sowie sonstige Möglichkeiten, Rückfragen an den Lehrenden zu stellen
- Abschluss- oder Erfolgszertifikate.
Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, ist ein wichtiger Anhaltspunkt, was vertraglich vereinbart wurde.
2. Was bedeutet die Anwendbarkeit des FernUSG für Sie und Ihr Business?
Liegt Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes vor, müssen auch die gesetzlichen Regelungen für Fernlehrgänge eingehalten werden. Jeder Fernlehrgang muss staatlich zugelassen werden gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG. Dafür zuständig ist die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).
Verträge sind nichtig
Hat der Kursanbieter keine gesetzlich notwendige Zulassung, ist der Vertrag über den Online-Kurs nichtig gemäß § 7 FernUSG.
Heißt: Der Online-Kursbesucher kann die Rückzahlung seines Geldes verlangen. Denn es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, dass der Anbieter die Kursgebühr behalten darf.
Dann kann der Teilnehmer nach den gesetzlichen Regelungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB) das Geld herausverlangen.
AUFGEPASST
Hat der Teilnehmer bereits Leistungen vom Kursanbieter in Anspruch genommen, schuldet er dem Anbieter Wertersatz nach dem Bereicherungsrecht.
Das FernUSG im B2C vs. B2B Bereich
Der Bundesgerichtshof hat in seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 12.06.2025 – III ZR 109/24) festgehalten, dass der Wortlaut des Gesetzes keine Beschränkung auf den B2C-Bereich zulasse. Auch eine teleologische Reduktion komme nicht in Betracht.
Bedeutet: Auch im B2B-Bereich gilt das FernUSG und Unternehmer haben ein Widerrufs-und Kündigungsrecht.
Nun werfen wir einen Blick auf die wichtigsten rechtlichen Vorgaben des FernUSG und was Online-Kurs-Anbieter hier beachten müssen.
Form und Inhalt des Fernunterrichtsvertrags
Verträge über Fernunterricht müssen nach § 3 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) immer in Textform geschlossen werden. Notwendige Vertragsinhalte für den Fernunterrichtsvertrag finden sich in § 3 Abs. 3 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG).
Widerrufsrecht und -belehrung
Alle Teilnehmer an einem Online-Kurs haben ein Widerrufsrecht nach § 4 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) mit einer gesetzlichen Widerrufsfrist von 2 Wochen. Der Fernunterrichtsanbieter muss den Teilnehmer außerdem über das Widerrufsrecht bei Vertragsschluss informieren.
Kündigung ohne Angabe von Gründen
Außerdem können die Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag nach § 5 FernUSG ohne Angaben von Gründen kündigen. Die Voraussetzungen zu Inhalt, Form und Frist können Sie im Gesetzestext nachlesen.
Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen die Vorgaben des FernUSG
Wer als Betreiber von Fernunterricht gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt, muss in einigen Fällen mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 € rechnen. Einzelheiten finden Sie im Normtext (§ 21 Fernunterrichtsschutzgesetz FernUSG).
3. Welche Kurse fallen nicht unter das FernUSG?
Dient Ihr Online-Kursangebot oder E-Learning Produkt lediglich zur Freizeitgestaltung oder Unterhaltung, findet die Zulassungspflicht des Gesetzes keine Anwendung (§ 12 I 3 FernUSG). Es trifft Sie in diesem Fall allerdings zumindest eine Registrierungspflicht nach § 12 I 4 FernUSG. Diese kostet laut Gebührentabelle der ZFU 100,00 € (Tarifstelle 21.1.2.13).
GUT ZU WISSEN
Ist Ihr Online Coaching oder E-Learning-Produkt kostenfrei, müssen Sie sich über die Voraussetzungen des FernUSG auch keine Gedanken machen.
4. Mein E-Learning-Angebot ist zulassungspflichtig - was nun?
Ist Ihr Online Coaching oder Online-Unterricht eine Form des Fernunterrichts, sollten Sie aktiv werden.
Beantragen Sie die Zulassung, wird Ihr Kurs-Konzept geprüft und Kosten kommen auf Sie zu.
Die Verwaltungsgebühren für die Zulassung eines Fernlehrgangs liegen bei 150 Prozent des Verkaufspreises. Die Mindestgebühr beträgt 1050 Euro.
Alle drei Jahre müssen die Zulassungsvoraussetzungen im Rahmen einer Fortbestandsprüfung überprüft werden. Hierfür fallen als Gebühr 15 Prozent des Verkaufspreises an.
Scheuen Sie die Zulassung, kann es sich anbieten, Ihr Kurskonzept umzugestalten, damit die Zulassungspflicht entfällt.
Aufgepasst: Beachten Sie, dass das Zulassungsverfahren dauert und nur einzelne Kurse zugelassen werden und nicht der Anbieter als solcher.
- Kostenfreien Angeboten,
- der Kurs findet in Präsenz vor Ort oder in synchronen Online-Meetings ohne Aufzeichnung statt,
- Lernerfolg wird nicht überwacht, Rückfragen sind nicht möglich,
- Hobby-Lehrgängen, die der Freizeitgestaltung oder der Unterhaltung dienen (Anwendungsbereich eingeschränkt).
5. Fazit
Sind Sie als Dozent tätig oder haben sich im Online Coaching selbstständig gemacht, kann das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) Anwendung finden, um Teilnehmer am Fernunterricht vor unseriösen Angeboten zu schützen.
Erfüllen Sie die in Kapitel 1 besprochenen Kriterien, ist Ihr Online-Kurs zulassungspflichtig. Kommen Anbieter Ihren Pflichten nicht nach, drohen finanzielle Konsequenzen.



