FernUSG - Das Fernunterrichtsschutzgesetz

Sind alle Online-Kurs-Verträge ungültig? Wieso das FernUSG die Welt der Online-Kurse aufmischt

Fachlich geprüft von: Rechtsanwalt Sören Siebert Rechtsanwalt Sören Siebert
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Das Wichtigste in Kürze

  • Fällt Ihr Online Coaching oder Ihr Online-Unterricht unter das Fernunterrichtsschutzgesetz, benötigen Sie eine staatliche Zulassung. Ohne Zulassung sind Ihre Verträge mit den Kunden unwirksam.
  • Das FernUSG gilt nach aktueller BGH-Rechtsprechung für den B2C sowie den B2B-Bereich. Auch Unternehmer haben daher ein Kündigungs- und Widerrufsrecht.
  • Anbieter von Online-Lehrgängen, -Kursen und -Akademien sollten jetzt Ihre Angebote überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Worum geht's?

Online-Coaching, Online-Akademien und digitale Selbstlernkurse boomen – doch rechtlich bewegen sich viele Anbieter auf dünnem Eis. Ein aktuelles BGH-Urteil stellt klar: Wer Online-Programme gegenüber Verbrauchern und Unternehmern anbietet, muss prüfen, ob eine Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) erforderlich ist. Gilt Ihr Angebot als Fernunterricht und Sie haben keine Zulassung, drohen weitreichende Folgen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie genau der BGH entschieden hat, wann Sie betroffen sind und wie Sie Ihre Kurse rechtssicher gestalten können.

 

 

1. Wann brauchen Online-Kursanbieter eine Zulassung nach dem FernUSG?

Das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht definiert Fernlehrgänge in § 1 Abs. 1 FernUSG als:

"Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen."

Daraus ergeben sich drei Kriterien. Treffen alle drei auf Ihr Kursangebot zu, betreiben Sie Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes und müssen Ihren Kurs gem. § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) von der staatlich zuständigen Stelle zulassen.

Kriterium 1: Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen

Als erstes muss der Kurs dem Lernenden gegen Geld Fähigkeiten oder Kenntnisse beibringen.

BEISPIELE AUS DER PRAXIS

Bsp. 1: Ein bezahlter Online-Kochkurs für Einsteiger bringt dem Teilnehmer die Grundlagen in der Küche bei.

Bsp. 2: Eine kostenpflichtige Online-Akademie, die Schüler beim Lernen für Abitur und MSA unterstützt.

Bsp. 3: Eine Online-Plattform, auf der Fahrschüler für die theoretische Führerscheinprüfung lernen können.

Handelt es sich bei Ihrem Kurs also um ein kostenpflichtiges Angebot, ist bereits eines der drei Kriterien erfüllt. Wichtig ist an dieser Stelle, dass es sich um die Vermittlung von Kenntnissen handeln muss.

Eine individuelle Beratung oder Begleitung bei der Persönlichkeitsentwicklung durch Online-Coaching oder eine Unterstützung bei persönlichen Krisen durch einen Life-Coach sind hiervon klar abzugrenzen.

Vermitteln Sie hingegen in einem Business Mentoring Programm Wissen, kann es sich um klassischen Fernunterricht nach § 1 FernUSG handeln. 

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WEITERLESEN

In unserem Artikel “Rechtssicher coachen: Was Sie beim Personal-, Business- & Life-Coaching unbedingt beachten sollten” lesen Sie mehr zum Thema “Online-Coaching”.

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Kriterium 2: ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt

Die Voraussetzung, ob bzw. wann eine räumliche Trennung vorliegt, wurde von der Rechtsprechung bisher sehr unterschiedlich beurteilt. Eine überwiegende räumliche Trennung wird angenommen, wenn mehr als 50 % der Lerninhalte zeitversetzt vermittelt werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) über die Nichtigkeit eines Vertrages zu einem Mentoring-Programm entschieden, der eine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) benötigt hätte.

Mehr Informationen zur Entscheidung des BGH finden Sie in unserer News “Wichtiges Urteil für Coaches, Berater & Dozenten - Das müssen Sie jetzt wissen”.

Aufgepasst: Der BGH hat entschieden, dass eine Aufzeichnung eines Online-Meetings wie auch das Selbststudium durch Selbstlern-Videos oder E-Books als asynchrone Vermittlung von Inhalten zählen und daher das Merkmal einer räumlichen Trennung erfüllen.

BEISPIELE AUS DER PRAXIS

Bsp.1: Das FernUSG ist nicht anwendbar, wenn die Online-Seminare als synchrone Online-Meetings ausschließlich über Zoom stattfinden und eine Abrufung als Wiederholung für die Teilnehmer nicht möglich ist.

Bsp. 2: Ein Anbieter ermöglicht wöchentlich ein 6-stündiges Live-Training und stellt zusätzlich optional 20 Stunden Videomaterial für die Nacharbeit zur Verfügung. Die asynchrone Vermittlung von Lerninhalten überwiegt in diesem Fall.

Kriterium 3: der Lernerfolg des Kursbesuchers muss überwacht werden

Neben der entgeltlichen Vermittlung von Kenntnissen und der räumlichen Trennung spielt das Kriterium der Überwachung des Lernerfolgs eine wesentliche Rolle. Viele Kursanbieter fragen sich nun, wann dieses Kriterium erfüllt ist.

Der Bundesgerichtshof beantwortet in seiner aktuellen Entscheidung (Az. III ZR 109/24) die Frage und legt die Überwachung des Lernerfolgs weit aus. Ausreichend sei die Möglichkeit für den Lernenden, dem Lehrenden Fragen zu stellen, wodurch der Lehrende Rückschlüsse auf den Lernstand ziehen könne.

Dies bedeutet, dass auch reine Whatsapp-Gruppen für Rückfragen der Lernenden bereits das Merkmal der Überwachung des Lernerfolgs erfüllen.

Checkliste
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung sprechen folgende Konzepte für eine Überwachung des Lernerfolgs:
  • Prüfungsaufgaben wie Multiple Choice, Drag-and-Drop, Lückentexte,
  • Checklisten,
  • mündliche Kontrollen durch Fragen des Lehrenden an den Lernenden,
  • Whatsapp- oder Facebook-Gruppen für Rückfragen oder Rückmeldungen, sowie sonstige Möglichkeiten, Rückfragen an den Lehrenden zu stellen
  • Abschluss- oder Erfolgszertifikate.

 

Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, ist ein wichtiger Anhaltspunkt, was vertraglich vereinbart wurde.  

2. Was bedeutet die Anwendbarkeit des FernUSG für Sie und Ihr Business?

Liegt Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes vor, müssen auch die gesetzlichen Regelungen für Fernlehrgänge eingehalten werden. Jeder Fernlehrgang muss staatlich zugelassen werden gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG. Dafür zuständig ist die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).

Verträge sind nichtig

Hat der Kursanbieter keine gesetzlich notwendige Zulassung, ist der Vertrag über den Online-Kurs nichtig gemäß § 7 FernUSG.

Heißt: Der Online-Kursbesucher kann die Rückzahlung seines Geldes verlangen. Denn es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, dass der Anbieter die Kursgebühr behalten darf.

Dann kann der Teilnehmer nach den gesetzlichen Regelungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB) das Geld herausverlangen.

AUFGEPASST

Hat der Teilnehmer bereits Leistungen vom Kursanbieter in Anspruch genommen, schuldet er dem Anbieter Wertersatz nach dem Bereicherungsrecht.

Das FernUSG im B2C vs. B2B Bereich

Der Bundesgerichtshof hat in seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 12.06.2025 – III ZR 109/24) festgehalten, dass der Wortlaut des Gesetzes keine Beschränkung auf den B2C-Bereich zulasse. Auch eine teleologische Reduktion komme nicht in Betracht.

Bedeutet: Auch im B2B-Bereich gilt das FernUSG und Unternehmer haben ein Widerrufs-und Kündigungsrecht.

Nun werfen wir einen Blick auf die wichtigsten rechtlichen Vorgaben des FernUSG und was Online-Kurs-Anbieter hier beachten müssen.

Form und Inhalt des Fernunterrichtsvertrags

Verträge über Fernunterricht müssen nach § 3 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) immer in Textform geschlossen werden. Notwendige Vertragsinhalte für den Fernunterrichtsvertrag finden sich in § 3 Abs. 3 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG).

Widerrufsrecht und -belehrung

Alle Teilnehmer an einem Online-Kurs haben ein Widerrufsrecht nach § 4 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) mit einer gesetzlichen Widerrufsfrist von 2 Wochen. Der Fernunterrichtsanbieter muss den Teilnehmer außerdem über das Widerrufsrecht bei Vertragsschluss informieren.

Kündigung ohne Angabe von Gründen

Außerdem können die Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag nach § 5 FernUSG ohne Angaben von Gründen kündigen. Die Voraussetzungen zu Inhalt, Form und Frist können Sie im Gesetzestext nachlesen.

Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen die Vorgaben des FernUSG

Wer als Betreiber von Fernunterricht gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt, muss in einigen Fällen mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 € rechnen. Einzelheiten finden Sie im Normtext (§ 21 Fernunterrichtsschutzgesetz FernUSG).

3. Welche Kurse fallen nicht unter das FernUSG?

Dient Ihr Online-Kursangebot oder E-Learning Produkt lediglich zur Freizeitgestaltung oder Unterhaltung, findet die Zulassungspflicht des Gesetzes keine Anwendung (§ 12 I 3 FernUSG). Es trifft Sie in diesem Fall allerdings zumindest eine Registrierungspflicht nach § 12 I 4 FernUSG. Diese kostet laut Gebührentabelle der ZFU 100,00 € (Tarifstelle 21.1.2.13).

GUT ZU WISSEN

Ist Ihr Online Coaching oder E-Learning-Produkt kostenfrei, müssen Sie sich über die Voraussetzungen des FernUSG auch keine Gedanken machen.

4. Mein E-Learning-Angebot ist zulassungspflichtig - was nun?

Ist Ihr Online Coaching oder Online-Unterricht eine Form des Fernunterrichts, sollten Sie aktiv werden.

Beantragen Sie die Zulassung, wird Ihr Kurs-Konzept geprüft und Kosten kommen auf Sie zu.

Die Verwaltungsgebühren für die Zulassung eines Fernlehrgangs liegen bei 150 Prozent des Verkaufspreises. Die Mindestgebühr beträgt 1050 Euro.

Alle drei Jahre müssen die Zulassungsvoraussetzungen im Rahmen einer Fortbestandsprüfung überprüft werden. Hierfür fallen als Gebühr 15 Prozent des Verkaufspreises an.

Scheuen Sie die Zulassung, kann es sich anbieten, Ihr Kurskonzept umzugestalten, damit die Zulassungspflicht entfällt.

Aufgepasst: Beachten Sie, dass das Zulassungsverfahren dauert und nur einzelne Kurse zugelassen werden und nicht der Anbieter als solcher.

Checkliste
Keine Zulassungspflicht nach dem FernUSG bei:
  • Kostenfreien Angeboten,
  • der Kurs findet in Präsenz vor Ort oder in synchronen Online-Meetings ohne Aufzeichnung statt,
  • Lernerfolg wird nicht überwacht, Rückfragen sind nicht möglich, 
  • Hobby-Lehrgängen, die der Freizeitgestaltung oder der Unterhaltung dienen (Anwendungsbereich eingeschränkt).

5. Fazit

Sind Sie als Dozent tätig oder haben sich im Online Coaching selbstständig gemacht, kann das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) Anwendung finden, um Teilnehmer am Fernunterricht vor unseriösen Angeboten zu schützen.

Erfüllen Sie die in Kapitel 1 besprochenen Kriterien, ist Ihr Online-Kurs zulassungspflichtig. Kommen Anbieter Ihren Pflichten nicht nach, drohen finanzielle Konsequenzen.

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6. FAQ

Was fällt unter das FernUSG?

Das Fernunterrichtsschutzgesetz ( FernUSG) betrifft Fernlehrgänge. Hierzu zählt unter anderem der klassische Online-Kurs mit Online-Meetings, Online Coaching aber z.B. auch ein Business Mentoring Programm. Das Gesetz dient dem Schutz der Teilnehmer vor unseriösen Angeboten.

Was gilt als Fernunterricht?

Ein Fernunterrichtsvertrag liegt vor, wenn entgeltlich Kenntnisse und Wissen vermittelt werden und der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Was ist der Inhalt von § 12 des Fernunterrichtsschutzgesetzes?

§ 12 besagt, dass Fernlehrgänge einer Zulassung bedürfen. Dies bedeutet, dass nicht der einzelne Anbieter eine Zulassung beantragen muss, sondern jeder einzelne Kurs geprüft und zugelassen werden muss. Bei der Prüfung werden Lehrgangsziel und Lehrmaterialien sowie die Vertragsgestaltung berücksichtigt.

Ist Coaching Fernunterricht?

Coaching kann als Fernunterricht gelten, wenn es sich um eine Form der Wissensvermittlung handelt. Schwierig kann die Abgrenzung insbesondere beim Personal und Life-Coaching sein, wenn der Trainer mehr eine unterstützende und beratende Funktion hat. Hier kommt es im Wesentlichen auf den Vertragsinhalt an.

 

Katharina Steinröder
Katharina Steinröder, Ass. jur.
Legal Writerin

Katharina Steinröder ist Volljuristin und seit 2023 als Legal Writerin Teil des Redaktionsteams von eRecht24. Während Ihres Studiums hat sie sich vertieft mit strafrechtlichen Themen auseinandergesetzt. Bei eRecht24 schreibt sie vor allem Inhalte mit Bezug zum Internet- und Datenschutzrecht. Zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Legal Writerin arbeitet sie als nebenamtliche Dozentin im öffentlichen Recht.

Rechtsanwalt Sören Siebert
Sören Siebert
Rechtsanwalt und Gründer von eRecht24

Rechtsanwalt Sören Siebert ist Gründer von eRecht24 und Inhaber der Kanzlei Siebert Lexow. Mit 20 Jahren Erfahrung im Internetrecht, Datenschutz und ECommerce sowie mit mehr als 10.000 veröffentlichten Beiträgen und Artikeln weist Rechtsanwalt Sören Siebert nicht nur hervorragende Fach-Expertise vor, sondern hat auch das richtige Gespür für seine Leser, Mandanten, Kunden und Partner, wenn es um rechtssichere Lösungen im Online-Marketing und B2B / B2C Dienstleistungen sowie Online-Shops geht. Neben den zahlreichen Beiträgen auf eRecht24.de hat Sören Siebert u.a. auch diverse Ebooks und Ratgeber zum Thema Internetrecht publiziert und weiß ganz genau, worauf es Unternehmern, Agenturen und Webdesignern im täglichen Business mit Kunden ankommt: Komplexe rechtliche Vorgaben leicht verständlich und mit praktischer Handlungsanleitung für rechtssichere Webseiten umsetzen.

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