Worum geht's?
In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Aber auch die hat Grenzen. Eines der bekanntesten Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit stellt die Hassrede gegen Grünen-Politikerin Renate Künast dar. Unbekannte beschimpften Sie auf Facebook. Die Politikerin zog bis vor das Bundesverfassungsgericht und klagte vor allem gegen Gerichtsurteile, die Facebook nicht dazu verpflichteten, Daten über ihre Nutzer herauszugeben.
Das Bundesverfassungsgericht wog zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht von Renate Künast ab und gab der Politikerin in seinem Urteil (Az. 1 BvR 1073/20) anschließend recht. Facebook musste die Daten seiner Nutzer herausgeben. Wo hört die Meinungsfreiheit im Internet auf und wo fangen die strafbaren Äußerungen an? In welcher Pflicht sind die Social-Media-Plattformen? Alles, was Sie zu dem Thema wissen müssen, lesen Sie in unserem Artikel.
1. Der Grundsatz: Recht auf Meinungsfreiheit
Das Recht auf Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert. In Art. 5 GG heißt es:
“Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.”
Artikel 5 des Grundgesetzes regelt nicht nur die freie Meinungsäußerung, sondern stellt zusätzlich im Grundrecht klar, dass der Gesellschaft der Zugang zu Nachrichten und Informationen zugänglich sein muss und in Deutschland keine Zensur stattfindet.
INTERESSANT
Dies bedeutet, dass Menschen grundsätzlich immer frei sind, ihre Meinung in sozialen Netzwerken, im Internet oder auf der Straße kund zu tun. Sofern kein Straftatbestand erfüllt wird, können Sie Ihre Meinung, Kritik und Bewertung über öffentliche und private Personen, Restaurants, Ärzte oder Unternehmen öffentlich aussprechen.
In Deutschland herrscht Redefreiheit. Jeder Mensch hat die Freiheit, sich so auszudrücken, dass die Rechte anderer Menschen nicht verletzt werden. Hier gibt es allerdings eine wichtige Grenze: das Strafrecht. Es gibt bestimmte Aussagen, die der Gesetzgeber unter Strafe stellt.
2. Was ist Meinungsfreiheit im Internet?
Es gibt auch heute noch zwei weit verbreitete Missverständnisse, was das Verhältnis von Straftaten im Internet und in der realen Welt angeht: Das Internet ist anonym und es gelten andere Regeln. Aber im Internet sind Äußerungen weder anonym noch straflos. Eine Beleidigung ist eine Beleidigung. Egal ob die beleidigte Person vor Ihnen steht oder die Beleidigung online stattfindet.
KURZ UND KNAPP
Alles was in der echten Welt strafbar ist, ist es auch im Internet.
Soziale Medien haben viele Potentiale: Sie geben Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit, können durch die Community verschiedene Lösungsansätze für Probleme finden und bieten einen anonymen Rahmen, um sich zu bestimmten Themen zu äußern. Aber genau hier liegt auch der Knackpunkt von Online-Plattformen: Die Anonymität, denn im Internet herrscht keine Klarnamenpflicht.
So kommt es nicht selten vor, dass Personen die freie Meinungsäußerung zu locker nehmen und Hasskommentare im Internet verbreiten, sich rassistisch äußern oder beleidigend werden. Über soziale Medien wird es außerdem immer leichter, Desinformationen und Fake-News zu verbreiten, die einzelnen Personen schaden können. Aber wo genau wird hier die Grenze gezogen?
3. Wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung in Social Media zu weit geht
Mobbing im Internet, Drohungen, Beleidigungen, Hass und Hetze haben in sozialen Medien nichts verloren und sind mit dem Recht auf Meinungsfreiheit im Internet nicht gedeckelt. Die Menschen sollen sich in einer Demokratie frei äußern können, aber gleichzeitig Schutz vor Anfeindungen und Hass erhalten.
Die Meinungsfreiheit im Internet erfordert neben Toleranz auch die Orientierung an gesellschaftlichen Werten und Normen sowie die Einhaltung von Gesetzen. Sobald Äußerungen also verletzend, beleidigend, rassistisch oder anfeindend gegenüber einzelnen Personen oder Personengruppen sind, greift die Meinungsfreiheit nicht.
WUSSTEN SIE’S SCHON?
In der Theorie kann es einen Unterschied machen, ob die Aussagen privat oder öffentlich erfolgen. Allerdings sieht dies in der Praxis oft anders aus. Volksverhetzende Aussagen, Beleidigungen oder Verleumdungen sind auch strafbar, wenn sie als private Nachricht in sozialen Medien oder in Messengerdiensten wie WhatsApp getätigt werden.
Auf Social-Media-Plattformen lassen sich Profile vollständig privat schalten. Aber ein privates Profil mit über 100 Freunden oder Followern kann von deutschen Gerichten als Öffentlichkeit angesehen werden. Viele Straftatbestände beziehen sich explizit auf die Öffentlichkeit der Handlungen.
4. Welche strafbaren Delikte sind auf Instagram, Facebook, TikTok & Co. möglich?
Auf sozialen Medien sind verschiedene Delikte strafbar. Im Folgenden haben wir einige davon aufgelistet.
Bei Beleidigungen geht es um den Angriff auf die persönliche Ehre und Würde des Betroffenen. Eine Beleidigung kann direkt erfolgen, aber auch indirekt und öffentlich im Netz. Damit der Straftatbestand der Beleidigung vorliegt, muss eine Person oder eine abgrenzbare Personengruppe beleidigt werden.
Es können nicht nur gesprochene und geschriebene Worte beleidigend sein, sondern auch Bilder und Karikaturen. Gleiches gilt für ein Video. Auch Gesten wie das Zeigen des Mittelfingers können eine Beleidigung sein. Eine Beleidigung wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft.
LESE-TIPP
Weiterführende Informationen zum Thema Beleidigung im Internet lesen Sie in unserem Artikel.
Üble Nachrede, § 186 StGB und Verleumdung, § 187 StGB
Ebenso strafbar sind üble Nachrede und Verleumdung. Bei Beleidigungen geht es um „Werturteile“ und die Ehre des Beleidigten. Bei übler Nachrede und Verleumdung handelt es sich um Tatsachen, die verbreitet werden, um jemanden verächtlich zu machen.
In der Regel droht bei einer Verleumdung oder üblen Nachrede eine Geldstrafe. Bei besonders schweren Fällen oder bei Wiederholungstätern kann auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren (Üble Nachrede) oder bis zu fünf Jahren (Verleumdung) drohen.
Gegenüber Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB) gilt für Verleumdung und üble Nachrede ein höherer Strafrahmen. Für üble Nachrede drohen drei Monate als Mindestmaß der Freiheitsstrafe. Bei Verleumdung sind es mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe. Diese Strafe kann auf bis zu fünf Jahre ausgedehnt werden.
Besonders im Rahmen von Hass und Hetze sowie rassistischen Aussagen kommt die Volksverhetzung ins Spiel. Im Wesentlichen geht es dabei um Aussagen, die gegen nationale, rassistische, religiöse oder ethnische Gruppen gerichtet sind und zu Hass oder Gewalt aufstacheln.
Der Straftatbestand der Volksverhetzung kann auch online stattfinden. Hier drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB
Die Aufforderung zu einer rechtswidrigen Tat wird bestraft. Wenn Sie beispielsweise in sozialen Netzwerken dazu aufrufen, eine bestimmte Person oder Personengruppe verbal oder körperlich anzugreifen, ist der Straftatbestand erfüllt.
WICHTIG!
Allein das Auffordern genügt. Sie werden auch dann bestraft, wenn die eigentliche Tat gar nicht stattfindet. Hier droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Anleitung zu Straftaten, § 130a StGB
Während sich die öffentliche Aufforderung zu Straftaten direkt an andere Personen richtet, kann die Anleitung zu Straftaten auch allgemein veröffentlicht werden, ohne konkreten Appell. Der Unterschied ergibt sich außerdem im Wissenstransfer. Während § 111 StGB sich darum dreht, jemanden zum Handeln zu bewegen, erfolgt beim Straftatbestand laut § 130a eine Vermittlung von Handlungsanleitungen.
Wer Anleitungen für bestimmte Straftaten wie Totschlag, Mord, schwere Körperverletzung , Raub oder Landfriedensbruch online stellt, kann nach § 130a StGB mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden.
5. Wie filtern Social-Media-Plattformen Meinungsäußerungen?
Ob TikTok, Facebook oder Instagram - die einzelnen Social-Media-Plattformen haben bestimmte Algorithmen, die Beleidigungen und Hate Speech automatisch filtern. Diese Filterung hat allerdings auch den Nachteil, dass Nutzer vor allem Inhalte sehen, die ihren Interessen entsprechen. So entsteht nicht selten eine "Filterblase", in der weniger Meinungsvielfalt herrscht.
Die gefilterten Posts der sozialen Netzwerke werden teilweise von künstlicher Intelligenz und teilweise von Mitarbeitern überprüft. Allerdings kann es hier immer auch zu Fehlern kommen. So kann Hassrede trotz Überprüfung durchs Netz rutschen. Gleichzeitig können legale und unproblematische, aber kritische Inhalte versehentlich blockiert werden, wodurch die freie Meinungsäußerung im Internet stark eingeschränkt wird.
ÜBRIGENS
Für Nutzer gibt es die Option, eine verletzende oder beleidigende Meinungsäußerung zu melden. Dazu kann der entsprechende Post, Kommentar, die private Nachricht oder eine Story über einen Button bei der Plattform gemeldet werden.
Mitarbeiter der sozialen Netzwerke überprüfen diese Meldungen. Es findet eine Abwägung und ggf. die Löschung des Beitrags statt. Die Plattformen haben entsprechende Regeln zum Verhalten, die Nutzer meistens bereits bei der Anmeldung bestätigen müssen. Kommt es vermehrt zu Verstößen gegen diese Verhaltensregeln, kann die Plattform den Account des Nutzers sperren oder löschen.
Seit dem 17. Februar 2024 ist außerdem der Digital Service Act (DSA) in der EU in Kraft getreten. Dieser ermöglicht einen einheitlichen europäischen Rahmen für Online-Plattformen und Suchmaschinen und soll ermöglichen, dass Nutzer überall im Netz die Möglichkeit haben, rechtswidrige Inhalte zu melden. So ist die Rechtslage innerhalb der EU zumindest nicht mehr von Land zu Land unterschiedlich.
6. Wie können Sie Hass und Hetze in sozialen Medien anzeigen?
Ob Sie als Nutzer rassistische Beiträge im Netz anzeigen wollen, müssen Sie selbst entscheiden. Jeder, der sich im Internet beleidigt, bedrängt, verleumdet oder sonst wie durch eine Aussage benachteiligt fühlt oder öffentlichen Hass und Hetze gegen eine andere Person oder Personengruppe beobachtet, sollte den Beitrag zunächst direkt bei der Plattform melden.
Seit dem 1. Februar 2022 müssen soziale Netzwerke strafbare Inhalte löschen und an das Bundeskriminalamt melden. Hierzu wurde die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte (ZMI) geschaffen.
Grundsätzlich haben Sie die Möglichkeit zusätzlich eine Anzeige zu erstatten. Es gibt auf der anderen Seite aber auch keine Pflicht, beleidigende oder rassistische Äußerungen anzuzeigen. Ausnahme hiervon ist die Nichtanzeige geplanter Straftaten nach § 138 StGB.
Dabei müssen aber konkrete Kenntnisse für eine Straftat vorliegen UND es muss sich bei der geplanten Tat um eine schwere Straftat wie Totschlag, Mord oder Brandstiftung handeln. Wer solche geplanten Taten nicht anzeigt, macht sich strafbar und kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft werden.
7. Freie Meinungsäußerung vs. Arbeitsrecht: Wann der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen kann
Rassistische Äußerungen und Beleidigungen sind nicht auf Grundlage des Gesetzes strafbar, sie können auch einen negativen Einfluss auf Ihren Job haben. Werden Sie zum Beispiel von Ihrem Arbeitgeber erwischt, wie Sie im Internet Hasskommentare posten, kann dieser Sie abmahnen oder sogar kündigen.
Auch Kollegen können den Chef bei der Arbeit darüber informieren, dass Sie sich rassistisch im WWW äußern. Eine Pflicht gibt es hierzu allerdings nicht. Die Entscheidung darüber, ob arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden, liegt allein bei den Vorgesetzten.
Es ist zwar grundsätzlich Privatsache, was die Mitarbeiter in Ihrer Freizeit tun und in sozialen Medien posten. Aber oft haben rassistische Posts auch direkte Auswirkungen auf den Ruf des Arbeitgebers oder das Arbeitsverhältnis und die Beziehung zu Chefs und Kollegen. In diesen Fällen droht eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
IM ZWEIFEL FÜR DEN ANGEKLAGTEN
Achten Sie darauf, dass Sie als Arbeitgeber Beweise haben, die die strafbare Handlung des Arbeitnehmers belegen. Screenshots der jeweiligen Posts können als Beweismittel dienen und sind vor allem sinnvoll, wenn der Fall vor Gericht landet.
Bei Beamten drohen besondere Maßnahmen. Da Beamte im Dienste des Staates stehen, gelten für diese oft besondere Regeln. Das Beamtenrecht ist hier in vielen Fällen strenger, was die freie Meinungsäußerung angeht. Hier drohen bei rassistischen Äußerungen dann Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtendienst.
8. Fazit zur Meinungsfreiheit im Internet
Die freie Meinungsäußerung ist ein wichtiges Grundrecht in einer Demokratie und beugt einer Zensur vor. Zur Meinungsfreiheit gehört allerdings auch, dass niemand durch Äußerungen in Ehre und Würde verletzt oder gekränkt wird. Denn in diesem Fall kann es sich um eine Straftat handeln.
Meinungsfreiheit gilt auch im Internet. Besonders zu kontroversen Themen kann eine Debatte schon mal recht hitzig werden. Wichtig ist dabei allerdings, dass Sie als Nutzer niemals andere Personen beleidigen oder verleumden. Tun Sie dies doch, kann eine Anzeige erstattet werden.
Die Plattformen sind seit wenigen Jahren in der Pflicht, Hassrede, rassistische Kommentare und andere illegale Äußerungen nicht nur zu löschen, sondern auch beim Bundeskriminalamt zu melden. Außerdem müssen sie für Nutzer eine Funktion zum Melden solcher Posts anbieten.




