Worum geht's?
Die DSGVO regelt den Umgang mit persönlichen Daten. Was vielen Werbetreibenden und Unternehmern aber nicht bekannt ist: Davon sind auch "Kundenakquise" und "Direktwerbung" betroffen, also zum Beispiel Werbemails, Anrufe, Werbung per Post und Kaltakquise. Ist Direktwerbung nach der DSGVO überhaupt noch erlaubt? Wie kann man trotz Datenschutz noch Neukunden gewinnen? Wir zeigen, welche Rechte und Pflichten Sie haben und was Sie beim Kontaktieren potenzieller Kunden zu Online-Marketing-Zwecken beachten müssen.
1. Was ist Direktwerbung?
Direktwerbung bezeichnet das Werben neuer Kunden über eine direkte Kontaktaufnahme. Das Ziel von Unternehmen ist, teilweise über eine bestimmte Zielgruppe, einen neuen Kundenstamm aufzubauen. Dabei umfasst die Kundenakquise sämtliche Formen der Kommunikationswege, beispielsweise Werbe-E-Mails, Telefonanrufe, Warenproben, Prospekte und Kataloge.
Die häufigste Form der Direktwerbung, um neue Kunden zu gewinnen, ist das „Direct Mailing“. Das Unternehmen sammelt dabei im Internet Postadressen und stellt schriftlich Werbung zu. Werbe-E-Mails und Telefonanrufe sind vorteilhaft, da die Kommunikation individuell gestaltet ist. Der Werbende spricht seine Zielgruppen ohne große Streuverluste an und profitiert von einer hohen Erfolgsquote.
Manche Unternehmen akquirieren neue Kunden durch sogenannte „Cold Calls“. Sie kontaktieren also potenzielle Kunden, die der Kontaktaufnahme nicht aktiv zustimmen. Andere Unternehmen sprechen Bestandskunden an oder versuchen, Kunden nach einer Kündigung zurückzugewinnen.
ACHTUNG!
Es gibt in allen Bereichen der Akquise zunehmend datenschutzrechtliche Probleme. Ob E-Mail-Marketing, Telefonanrufe oder Direct Mailing: Die datenschutzrechtlichen Vorschriften sind überwiegend dieselben.
2. Datenschutz und Werbung: Verdrängt die DSGVO andere Gesetze?
Die folgenden Gesetze regulieren direkte Werbemaßnahmen wie Telefon- und E-Mail-Werbung:
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Telekommunikationsgesetz (TKG)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
2021 einigte sich der EU-Ministerrat auf eine neue Version der ePrivacy-Verordnung. Aktuell (Stand: März 2024) laufen die Verhandlungen noch. Die ePrivacy-VO soll die Regeln der DSGVO im Bereich elektronischer Kommunikationsdaten ergänzen.
Wie schon die DSGVO, soll auch die ePrivacy-Verordnung personenbezogene Daten schützen. Daher wird auch nach Inkrafttreten der Verordnung eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers zur Verwendung seiner Daten zu Marketingzwecken nötig sein.
Hier bleibt abzuwarten, ob sich die EU-Mitgliedstaaten tatsächlich einig werden. Je nachdem, wann die ePrivacy-Verordnung in Kraft tritt, gilt dann noch eine zweijährige Übergangsfrist, in welcher Unternehmen Ihre datenschutzrechtlichen Maßnahmen anpassen müssen.
LESEEMPFEHLUNG
Mehr zur ePrivacy-Verordnung erfahren Sie in unserem Artikel “Wann kommt die ePrivacy-Verordnung und was müssen Unternehmen bis dahin datenschutzrechtlich regeln?”.
Die Datenschutz-Grundverordnung hat das rechtliche Umfeld für die Neukundenakquise bereits geändert. Somit brauchen Sie grundsätzlich eine Einwilligung des Nutzers.
3. Wozu sind Sie konkret verpflichtet?
Die DSGVO ist für den Verbraucher ein Segen, für den Unternehmer jedoch ein Fluch. Dieser möchte seine Produkte „an den Mann bringen“ und versuchen möglichst viel Neukundengewinnung zu betreiben. Bei der Kundenakquise gilt die Faustregel: Mit Einwilligung ist fast alles möglich – ohne nur wenig.
Belästigende Werbung ist nach § 7 UWG verboten. Das bedeutet, dass Sie weder per E-Mail noch per Telefon oder SMS Kundenakquise betreiben dürfen, sofern Sie nicht im Vorfeld die Einwilligung des jeweiligen Nutzers eingeholt haben.
Schon eine einzige unverlangte Werbemail an eine Person bzw. ein Unternehmen gilt als belästigende Werbung. Das bestätigte auch das OLG Dresden (Beschluss vom 24. Juni 2024 , Az: 4 U 168/24). In diesem Beispiel hat ein Unternehmen einem Getränkelieferanten, mit dem es vorher in keinerlei Geschäftsbeziehungen stand, eine Sponsoringanfrage per Mail gesendet. Das OLG Dresden entschied, dass es sich dabei um eine unzumutbare Belästigung handelte und eine vorherige Einwilligung erforderlich gewesen wäre.
PRAXIS-TIPP FÜR B2B
Holen Sie auch bei Direktwerbung gegenüber Unternehmern immer eine Einwilligung ein.
Gemäß § 7 Abs. 3 UWG gibt es allerdings auch Ausnahmeregelungen, unter welchen keine Einwilligung erforderlich ist. Sie dürfen Ihrem Kunden Werbung zusenden, wenn
- Sie im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Dienstleistung oder einer Ware die Postadresse des Kunden erhalten haben.
- die postalische Adresse Ihres Kunden für Direktwerbung anderer ähnlicher Waren und Dienstleistungen verwenden.
- der Kunde der Verwendung seiner Daten nicht widersprochen hat.
- Sie Ihren Kunden jedes Mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass er der Verwendung seiner Daten jederzeit widersprechen kann. Dafür dürfen keine Kosten entstehen.
Diese vier Punkte müssen alle gemeinsam vorliegen. Erfüllen Sie nur drei dieser Bedingungen oder noch weniger, reicht dies nicht aus, um Ihrem Kunden ohne Einwilligung Direktwerbung zukommen zu lassen.
Gemäß § 7 Abs. 4 DSGVO besteht auch ein Kopplungsverbot. Dieses besagt, dass Sie die Einwilligung Ihres Kunden nicht an einen Vertragsschluss binden dürfen, da die Kundenakquise durch Newsletter, Werbung per Post etc. nichts mit dem Einkauf zu tun hat und damit nicht freiwillig stattfindet. Eine solche Einwilligung ist daher unwirksam.
WICHTIG
Sofern der Betroffene freiwillig einwilligt, ist die Einwilligung wirksam.
Eine Kopplung an die Zusendung von Content (beispielsweise einem eBook) oder an eine Gewinnspielteilnahme kann rechtlich möglich sein. Wichtig ist hierbei, dass Sie transparent vorgehen und genau darlegen, wofür Sie die Daten des Nutzers verwenden wollen. Außerdem sollte der Nutzer freiwillig zustimmen können, ohne dass Druck aufgebaut wird.
Für Sie als Unternehmer bietet sich als Nachweis der freiwilligen Einwilligung das Double-Opt-In-Verfahren an. Hierbei muss der Nutzer nach der Anmeldung einen Bestätigungslink in der Mail, die er erhalten hat, anklicken, bevor er Ihnen die Einwilligung erteilt. Er stimmt quasi doppelt zu. Denken Sie zudem in jedem Newsletter an den Abmeldelink.
Adresshandel vor dem Aus?
Davon abzugrenzen ist das Thema "Adresshandel": Hier verkaufen Händler Postadressen zusammen mit weiteren Informationen über die Inhaber (z.B. Mietwohnung oder nicht, Alter, Beruf etc.) im großen Stil. Käufer der Adressen können dann zielgerichtet Postwerbung an die passenden Adressaten versenden.
Der Adresshandel ist nicht verboten. Liegt ein berechtigtes Interesse des Adresskäufers vor oder hat der Verbraucher in den Verkauf seiner Adresse eingewilligt bzw. diese öffentlich gemacht, kann der Adresshandel durchaus zulässig sein. Andernfalls können nicht nur der Verkäufer, sondern auch Sie selbst in die Pflicht genommen werden.
In der Zukunft kann sich dies allerdings durchaus noch ändern. Viele Datenschützer fordern, dass Betroffene über den Weiterverkauf ihrer Daten informiert werden und vorab ihre Einwilligung dazu geben müssen.
4. Wann ist eine Einwilligung entbehrlich?
Sie werben bei einem Bestandskunden für Ihre Produkte oder Dienstleistungen? Dann willigte der Kunde hoffentlich ein. Ohne Einwilligung geht in Sachen Kundenakquise im Grunde gar nichts mehr. Bei Bestandskunden sieht es aber etwas anders aus.
Hier darf ein Unternehmen ähnliche Waren oder Dienstleistungen anbieten, ohne dass dafür eine separate Einwilligung erforderlich ist. Dieser Meinung war auch das Oberlandesgericht München in einem Urteil vom 15.02.2018 (Az. 29 U 2799/17).
Der Rechtsstreit befasste sich mit der Klage eines Kunden, der eine kostenlose Mitgliedschaft bei einer Partnerbörse abschloss. Der Partnervermittler kontaktierte den Kunden im Rahmen der Neukundengewinnung per E-Mail und ermunterte ihn, auch die kostenpflichtigen Leistungen zu nutzen. Der Kunde willigte zuvor nicht in die Werbemaßnahmen ein.
Solange keine explizite Einwilligung vorliegt, ist auf die Interessenabwägung nach Art. 6 I lit. f DSGVO abzustellen. Außerdem greift hier die Ausnahmeregelung nach § 7 III Nr. 1 UWG. Danach ist E-Mail-Werbung erlaubt, wenn „ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat“.
Das Gericht führte hier folgendes aus: „Bei einer bestehenden Kundenbeziehung ist es vertretbar, die Nutzung elektronischer Kontaktinformationen zuzulassen, um ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anzubieten.“
Die Gerichte legen diese Ausnahmeregelung sehr streng aus. Deshalb sollten Sie sich als Unternehmer nicht darauf verlassen. Kontaktieren Sie im Zweifelsfall einen Rechtsanwalt, um den Sachverhalt eindeutig aufzuklären.
5. Tipps: Was ist bei der Kundenakquise am Telefon zu beachten?
Sie betreiben Telefonakquise beispielsweise durch ein Call Center? Bei Telefonanrufen zur Generierung von Leads gelten besondere Regelungen. Bei Werbeanrufen dürfen Sie die Rufnummernanzeige nicht unterdrücken. Ansonsten drohen Strafen, beispielsweise ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro nach § 228 Abs. 7 Satz 6 TKG.
Kontaktieren Sie einen Verbraucher (also eine Privatperson und kein Unternehmen), ist eine ausdrückliche vorherige Einwilligung erforderlich, § 7 II Nr.1 UWG.
WICHTIG
Sie müssen die Einwilligung des Verbrauchers auch nach dem Wettbewerbsrecht "in angemessener Form" dokumentieren und fünf Jahre lang aufbewahren (§ 7a UWG). Welche Form die Einwilligung konkret haben muss, hat der Gesetzgeber allerdings nicht festgelegt.
Am 19.10.2021 hat die Bundesnetzagentur "Auslegungshinweise zu der Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht für Telefoneinwilligungen nach § 7a UWG" veröffentlicht. Hieraus lässt sich folgendes schlussfolgern:
- Das Double-Opt-In ist grundsätzlich kein geeignetes Verfahren, um eine Einwilligung nachzuweisen. Grund: Es ist dadurch nicht belegbar, dass der Inhaber der E-Mail-Adresse auch der Inhaber der angegebenen Telefonnummer ist (siehe auch unten).
- Die Aufzeichnung des Telefongesprächs (Voicefile) ist geeignet, um die Einwilligung zu dokumentieren. Voraussetzung ist, dass folgendes dokumentiert wird: gesamter und zusammenhängender Gesprächsabschnitt, Datum und Uhrzeit, Firma, Name des Einwilligenden, manipulations- und löschsicheres Format, Einwilligung des Einwilligenden zur Aufzeichnung
- Ein Dokument mit schriftlicher Einwilligung, z. B. durch Unterschrift auf einem Vertrag, ist als Dokumentation ebenfalls geeignet. Dazu muss das Dokument rechtssicher sein, alle wesentlichen Bestandteile enthalten und die originalgetreue grafische Gestaltung wiedergeben.
Auch wenn Sie Unternehmer anrufen, empfehlen wir dringend, eine Einwilligung einzuholen. Eine spätere Genehmigung reicht nicht aus.
Exkurs: Was ist der Unterschied?
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen einer Einwilligung, einer Genehmigung und einer Zustimmung. Die Unterschiede:
- Einwilligung: Die Gegenseite willigt vor einem Geschehen ein.
- Genehmigung: Die Gegenseite willigt nachträglich in ein Geschehen ein.
- Zustimmung: Zustimmung ist der Oberbegriff für Einwilligung und Genehmigung.
Holen Sie eine „versteckte“ Einwilligung über Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein, ist diese unwirksam. Im E-Mail-Marketing holen Sie Einwilligungen über das Double-Opt-In-Verfahren ein.
Aber Achtung: Dieses Verfahren dürfen Sie bei Telefonwerbung nicht nutzen. Denn die Double-Opt-In-Methode stellt nicht sicher, dass der Inhaber von E-Mail-Adresse und Telefonnummer identisch ist.
WUSSTEN SIE’S SCHON?
Eine mögliche Lösung, wenn Sie Ihre Einwilligung trotzdem per Double-Opt-In und Checkbox einholen möchten, könnte folgende sein: Fragen Sie die Handynummer Ihrer Nutzer ab. Senden Sie per SMS oder Whatsapp eine Nachricht auf diese Nummer.
Durch Klick auf den Link bestätigt der Nutzer, dass er die Einwilligung in Telefonwerbung unter dieser Handynummer erteilt hat. Wichtig: Dieses Verfahren funktioniert nicht mit einer Festnetznummer. Im Zweifel verzichten Sie lieber auf Telefonwerbung.
Bei Telefonwerbung ist bei Privatpersonen ohne ausdrückliche Einwilligung überhaupt nichts mehr möglich. Hier drohen bei einer Zuwiderhandlung Strafen wie ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro wegen Verstoßes gegen das UWG.
Ein Verstoß gegen die DSGVO kann sogar Bußgelder in Höhe von bis zu 20 Mio. Euro oder 4 % des Jahresumsatzes zur Folge haben. Rufen Sie Gewerbetreibende an, sollten Sie auf Nummer Sicher gehen und eine Einwilligung einholen. Überlegen Sie sich, wie Sie die Mitarbeiter im Vertrieb schulen, um Rechtsverletzungen auszuschließen.
6. Checkliste
- Privatperson: Bei SMS-, E-Mail-, Fax- und Telefonwerbung ist weiterhin eine Einwilligung notwendig.
- Unternehmen: Im B2B-Bereich sind Sie nur auf der sicheren Seite, wenn Sie eine Einwilligung einholen. Ein „berechtigtes Interesse“ nach Art. 6 I lit. f DSGVO reicht in der Regel nicht aus.
- E-Mail-Marketing: Holen Sie eine Einwilligung über das Double-Opt-In-Verfahren ein.
- Telefonwerbung: Holen Sie bei Unternehmern und Privatpersonen eine ausdrückliche Einwilligung ein.
- Nachweispflicht: Die eingeholten Einwilligungen sollten Sie nachweisen können. Dazu kann sich beispielsweise ein Datenschutz-Management-System mit den entsprechenden gespeicherten Kundendaten anbieten. Dort können Sie auch hinterlegen, welche Einwilligungen der Kunde wofür gegeben hat. Beispielsweise, wenn er nur der Werbung per Mail zugestimmt hat etc.
7. Die 7 wichtigsten Fragen zu Direktwerbung und DSGVO