Seit dem Plagiatsskandal von Gutenberg, Koch-Mehrin und Co. sind Studierende und Professoren unglaublich sensibilisiert, wenn sie ihre Hausarbeit anfertigen oder eine solche korrigieren. Jedes Zitat bedeutet höchste Aufmerksamkeit! Vor allem die Rolle des Internets wird von vielen Beobachtern immer kritischer gesehen. Dieses Medium, welches sich über das Urheberrecht scheinbar mühelos hinwegsetzt, ist für die heutige Studenten- Generation zur Hauptkommunikations-Plattform geworden. Facebook lässt grüßen! Auch bei wissenschaftlichen Arbeiten setzen die Studierenden immer mehr auf Informationen und Dokumente aus dem Internet. Die Möglichkeiten sind fast grenzenlos. Dieser Artikel klärt auf über Diplomarbeitsklau und andere Betrügereien im Internet, das Urheberrecht und Gegenmaßnahmen zur Eindämmung von Urheberrechtsverletzungen und Plagiaten.
Jedes Jahr geben tausende Studierende bei Abgabe ihrer Diplomarbeit die Erklärung ab, dass sie die Hausarbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung selbständig angefertigt haben. Die meisten Studenten sind sich oft gar nicht bewusst, welche Konsequenzen diese Aussage im Kontext des Prüfungsrecht hat. Durch die nützliche, aber auch kaum mehr überschaubare Informations- und Datenvielfalt im Netz, geht es sehr schnell, dass der Internetnutzer verschiedene Textsequenzen ohne Quellenangabe für seine eigene Arbeit benutzt. Damit setzt er sich ungeahnten Risiken aus.
Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob der Studierende ein Totalplagiat in seine Arbeit einbaut, welches ganze Seiten und Textpassagen ohne Vermerk wörtlich übernimmt, oder einfach nur einige interessante Aspekte aus anderen Schriften verwendet. Unbestritten ist mittlerweile, dass Schüler und Studierende bei Haus- und Diplomarbeiten immer öfter abschreiben und das Internet dabei hilft. Hausaufgabenprogramme erleichtern es, fremdes Gedankengut als eigene Leistung auszugeben. Die Motive dürften sich dabei nur unwesentlich unterscheiden: Es muss schnell gehen, es soll bequem sein, fremde Textstellen und Quellen sollen für Anerkennung sorgen. Selbst für Profis ist immer schwieriger feststellbar, wann ein Plagiat anfängt und wann es aufhört. Ein Totalplagiat ist vergleichsweise problemlos zu erkennen. Problematischer ist es bei der Methode der Verschleierung, die Autoren fast schon inflationär anwenden. Sie wandeln Original-Zitate durch kosmetische Eingriffe, die am Inhalt nichts verändern, zu indirekten Zitaten um.
Die noch verwirrendere Methode besteht aus einem Flickenteppich zahlreicher Quellen. So ähnlich funktioniert das Copy & Paste-Verfahren, bei dem ganz viele frei verfügbare Informationen aus dem Internet oft eins zu eins übernommen werden. Google und die Online-Enzyklopädie Wikipedia sind hierbei beliebte Medien und stehen derzeit bei den Studierenden am höchsten im Kurs. Das Problem bei diesen Hilfsmitteln ist der fehlende Tiefgang, da einige Studierende die Infos einfach blind kopieren. Schüler und Studierende können sich sogar inzwischen eine komplette Haus- oder Diplomarbeit auf legalen Weg herunterladen beziehungsweise kaufen. Seit 1998 veröffentlichen die Internetportale hausarbeiten.de, diplomarbeiten24.de und grin.com akademische Werke. Die Diplomarbeiten-Agentur Hamburg, die diplom.de betreibt, bietet sogar nach Fachbereichen sortiert Abschlussarbeiten an. Die Zugriffsraten steigen nach Angaben der Betreiber immer weiter an. Aber egal ob er nur kleine Teile, längere Abschnitte oder ganze Arbeit übernimmt, der Studierende muss sich mit dem Urheberrecht des Autors auseinandersetzen.
Das Urheberrecht fängt schon klein an
Die Masse der Rechtsverletzungen im Internet und deren breite gesellschaftliche Akzeptanz lassen bei vielen Juristen die Alarmglocken schellen. Aber ist das Urheberrecht im Netz wirklich so schwach ausgeprägt, dass es Kavaliersdelikte zum Kinderspiel macht und Straftaten begünstigt? Generell ist es so, dass jeder Autor nach dem Urheberrechtsgesetzes (UrhG) für seine Werke einen nicht unerheblichen Schutz genießt. Ein Werk liegt immer dann vor, wenn es sich um eine persönlich-geistige Schöpfung handelt. Die ist gegeben, wenn eine logische Verbindung zwischen Inhalt und Form, die besondere Auswahl und Zusammenstellung eines wissenschaftlichen Stoffes und insbesondere die individuelle Prägung zu erkennen ist. Dann steht dem Urheber laut Gesetz die absolute Kontrolle über Art, Umfang und Inhalt der Werkverwertung zu. Für Vervielfältigungen und Verbreitungen müssen im Vorfeld seine Zustimmung eingeholt werden.
Abschlussarbeiten gehören logischerweise zu den geschützten Werken. Nach ihrer Veröffentlichung stehen mit Zustimmung des Urhebers die in ihr enthaltenen Erkenntnisse allgemein zur Verfügung und dürfen in das Werk anderer einfließen. Im vorliegenden Artikel steht im Fokus, inwiefern Zitate zu behandeln sind und welche Anforderungen sie zu erfüllen haben. Das Urheberrecht gestattet es ausdrücklich, dass man zitieren darf, ohne den Rechteinhaber um Erlaubnis zu fragen. Dies gilt auch für Zitate in Internetblogs oder auf Profilseiten. Um das Zitatrecht in Anspruch nehmen zu können, muss immer eine Verbindung zwischen dem eigenen und dem zitierten Werk bestehen. Jedes Zitat muss einen Zweck erfüllen, die eigenen Ausführungen unterstützen oder der Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk dienen. Für die Länge von Zitate gibt es keine Vorgabe, die Nutzung des zitierten Werkes sollte lediglich durch das Zitat nicht beeinträchtigt werden. Prinzipiell ist es sogar möglich, eine ganze Arbeit zu zitieren, was das Gesetz als Großzitat bezeichnet. Allerdings ist dies nur zur Erläuterung des Inhalts wissenschaftlicher Werke gestattet. Falls die übernommenen Ausschnitte keinen Zitatzweck erfüllen, muss der jeweilige Autor um Erlaubnis gefragt werden.
Der schmale Grat des Urheberrechts
Die Enthüllungen von Gutenberg und Co. sind lediglich die Spitze des Eisbergs. Weltweit ist die Zunahme von Plagiaten schon länger zu beobachten. Die zwischen 2002 und 2005 durchgeführte amerikanische Studie „Cheating among college and university students: „A North American perspective" stellte fest, dass jeder 14. Studierende zugab, schon einmal ein klares Plagiat erstellt zu haben. 38 Prozent gaben an, ohne Beleg aus einer Web-Quelle kopiert zu haben. Rund 30 Prozent der Studierenden waren zudem der Meinung, dass „Copy & Paste" keine schwere Betrugsform darstellt. Die Macher der Studie befragten mehr als 80.000 Studierende und 12.000 Lehrende in den USA und Kanada mit Hilfe eines Online-Formulars.
Durch die inflationäre Benutzung von Social Media machen sich viele Studierende strafbar, denn Rechtsbrüche, die auf sozialen Plattformen stattfinden, häufen sich zunehmend. Wer etwa auf Facebook für das eigene Profil einen Text zur Verfügung stellt, ohne die Quelle anzugeben, verwendet unerlaubt ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Die enorme Digitalisierung erleichtert das Begehen von Urheberrechtsverletzungen und macht es einfacher, verschiedene Werke miteinander zu kombinieren. Digitale Daten sind zudem leichter manipulierbar als klassische Text-, Bild- oder Tondateien.
Auch wenn gut geschriebene Texte auf Webseiten ohnehin für jedermann online zugänglich sind, ist eine Übernahme nicht erlaubt, ohne den eigentlichen Rechteinhaber um Erlaubnis zu fragen. Es spielt auch keine Rolle, dass man mit seiner Profilseite bei studiVZ oder Facebook keinen kommerziellen Zwecken dient. Die entscheidende Frage ist, ob man die fremden Inhalte im privaten Umfeld oder in der Öffentlichkeit nutzt. Private Nutzungen sind zwar häufig erlaubt, aus rechtlicher Sicht ist jedoch eine Webseite oder ein Profil in einem sozialen Netzwerk nicht „privat“, sondern „öffentlich“.
Die Luft für Internetbetrüger wird dünner
Der Kampf gegen Rechtsverletzungen im Netz ist dann auch in Deutschland angekommen. Bundesweite Regelungen, um die Plagiat Flut einzudämmen, gibt es nicht, jedoch wurden die Hochschulgesetze in den letzten Jahren verschärft. In Nordrhein-Westfalen reichen die Strafmaßnahmen von der Vergabe der Note „sechs" über die Aberkennung von Studienleistungen bis hin zur Exmatrikulation. Im äußersten Fall ist es dem Hochschulen möglich, eine Geldstrafe von 50.000 Euro zu verhängen. Im Herbst 2008 verschärfte das Land Baden-Württemberg sein Hochschulgesetz, um Plagiatoren leichter von der Uni werfen zu können. Einzelne Hochschulen schlagen den Selben Weg ein und haben ihre Prüfungsordnungen um strengere Passagen ergänzt. Wird etwa einem Kulturwissenschaftsstudenten an der Universität in Frankfurt an der Oder zum ersten Mal ein Plagiat nachgewiesen, gilt die Prüfung als nicht bestanden.
Der Münchner Rechtsprofessor Dr. Volker Rieble empfiehlt Betreibern von Online-Portalen, Originaltexte mit einer Software zu sichern. Doch ein Test mit einer Plagiaterkennungssoftware an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin im Jahr 2008 brachte ernüchternde Ergebnisse. Der Mensch kann beim Erkennen der Plagiate deutlich bessere Ergebnisse erzielen als eine Plagiatssoftware. Ein auffällig guter schriftlicher Ausdruck und ungewöhnliche Stilmittel, aber auch gemischte Zitationsweisen innerhalb einer Arbeit können ein Hinweis auf eine unerlaubte Kopie sein. Eine gründliche Plagiatssuche und die abschließende Dokumentation kostet den meisten Professoren zu viel Zeit. Diese investieren sie viel lieber ins Publizieren von eigenen Werken und Büchern.
Grundsätzlich sieht das Gesetz bei Urheberrechtsverletzungen Haftstrafen von drei bis fünf Jahren und hohe Geldbußen vor. Oft haben Rechtsbrecher aber noch Glück und derjenige Urheber, dessen Rechte sie verletzt haben, bittet um Entfernung der Inhalte. Bei Urheberrechtsverletzungen auf Profilseiten, die gegen die Nutzungsbedingungen von sozialen Netzwerken verstoßen, droht dagegen nur die Sperrung des eigenen Profils.
Darüber hinaus kontrollieren die Verwertungsgesellschaften den legalen Gebrauch geschützter Werke und vergüten die Urheber aus den Gewinnen, die ihnen leichter aus öffentlichen Nutzungspauschalen entstehen. Für manche Experten wie Maximilian Haedicke, Urheberrechtsprofessor an der Universität Freiburg, ist das Urheberrecht allerdings zu streng ausgelegt und wirkt kontraproduktiv. Ein zeitgemäßes Urheberrecht in der Wissensgesellschaft müsse den Interessen der Nutzer einen höheren Stellenwert einräumen. Die Rechte der Urheber sieht er dadurch nicht gefährdet.
Eine effektivere Schutzmaßnahme könnte darin bestehen, die Verwendung von Open-Content und Open-Source-Lizenzen aktiv zu fördern und so mit der Zeit zu gehen. Urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen, die mit einer Open-Content-Lizenz veröffentlicht wurden, stehen im Internet zur weitgehend freien Verfügung. Dennoch verlieren sie ihren urheberrechtlichen Schutz nicht. Nutzungsbedingungen werden deutlich unkomplizierter, lediglich der Namen des Rechteinhabers ist zu nennen und der Inhalt darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Ansonsten ist der Anwender befugt, die unter einer Open-Content-Lizenz stehenden Beiträge zu vervielfältigen, zu verbreiten und selbst öffentlich zugänglich zu machen. Gefährlich wird es nur, wenn sich die neuen Lizenzformen bewusst vom engen Rahmen des Urheberrechts abwenden und sich eine eigene Rechtsordnung setzen.
Fazit
Das Urheberrecht kann nach Betrachtung der bisherigen Ausführungen nicht als zu schwach ausgeprägt bezeichnet werden, allein an der Sensibilität oder Kenntnis der Internetsurfer und Studierenden fehlt es gelegentlich noch. Hilfe verspricht hier z.B. der "Guide zur Erstellung von Hausarbeiten, Diplomarbeiten und Dissertationen" von Just-Study. Die immer härteren Strafenkataloge an den Universitäten werden aber zwangsläufig zu einer größeren Abschreckung führen. Ob wie in einigen Ländern üblich, die Plagiatssuche von professionalisierten Stellen übernommen werden sollte, ist dennoch anzuzweifeln. Zwischen den Fachbereichen an den Universitäten herrschen zwar starke Unterschiede bei der Plagiatsdefinition und -suche vor, aber die eigentliche Problematik sollte an der Wurzel beseitigt werden. Die Lehrenden müssen sich wieder mehr Zeit nehmen, den Studierenden die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens näher zu bringen.
Eines scheint jedoch unwiderruflich festzustehen: Der Weg in die Bibliothek und das Durcharbeiten von Büchern ist heute immer mehr Studierenden viel zu aufwändig. Es kommt allerdings in erster Linie nicht darauf an, wo die Studierenden recherchieren und woher sie ihre Inhalte beziehen. Am wichtigsten ist ihr eigener Anspruch, Gedankengänge und Thesen selbst zu entwickeln und niederzuschreiben. Denn am Ende schaden sie sich selbst am meisten, wenn sie nicht lernen, eine eigene wissenschaftliche Leistung selbst zu erbringen.
Aber nicht nur beim Verfassen von Diplomarbeiten kommen Studierende und Jugendliche mit dem Urheberrecht in Konflikt. Prinzipiell hat jeder Internetnutzer, der bei einem sozialen Netzwerk angemeldet ist, ganz schnell einen Rechtsbruch begangen. Denn jedes noch so kleine Zitat oder unscheinbare Foto, das wir der Netzgemeinde preisgeben, kann die Rechte eines anderen verletzen. Meistens stört es nur keinen. Daher sollte der Gesetzgeber in der Tat über eine Lockerung des Urheberrechts nachdenken. Open-Content-Lizensen stellen einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Schüler und Studierende benötigen lediglich eine angemessene Schulung, damit sie mit solchen Neuerungen richtig und pflichtbewusst umgehen.
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