Worum geht's?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) wirkt sich nicht nur auf Online-Shops und Webseitenbetreiber aus – auch Agenturen und Webdesigner sind betroffen. Die neuen Vorgaben werden Sie nicht nur technisch, sondern auch rechtlich vor neue Herausforderungen stellen. Denn wer im Webdesign tätig ist, muss künftig wissen, wann Barrierefreiheit notwendig ist und wie diese umgesetzt, geprüft und dokumentiert wird. Im folgenden Artikel finden Sie die Antworten auf Ihre Fragen sowie Tipps und Tools, die Ihnen bei der Umsetzung der Vorgaben helfen.
1. Wann muss eine Website barrierefrei gestaltet werden?
Beginnen wir mit einer zentralen Frage: Welche Webseiten müssen überhaupt barrierefrei designt werden? Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gibt vor, dass Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr zukünftig barrierefrei gestaltet werden müssen. Somit sind Webseiten und Online-Shops betroffen, die Produkte und Dienstleistungen online verkaufen.
AUFGEPASST
Nicht alle Webseiten zählen automatisch zum elektronischen Geschäftsverkehr. Nur dann, wenn ein Verbrauchervertrag abgeschlossen werden kann oder wenn wesentliche Zwischenschritte auf dem Weg zum Abschluss eines Vertrages erfüllt werden, handelt es sich um elektronischen Geschäftsverkehr.
Beispiel: Eine reine Präsentationswebseite ohne Interaktionsmöglichkeiten oder ein privater Blog mit Kochrezepten müssen nicht barrierefrei sein.
Sie fragen sich, wie Sie den Überblick behalten sollen? Hierfür haben wir für Sie den eRecht24 Barrierefreiheits-Check entwickelt. Dieser berücksichtigt sämtliche Anforderungen und wurde von Experten entwickelt. Durch die Nutzung des kostenfreien Tools gewinnen Sie einen ersten Eindruck, ob für Ihren Kunden ein barrierefreies Webdesign notwendig ist.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Gesetz nur für Dienstleistungen gilt, die für Verbraucher erbracht werden.
Bedeutet: Haben Sie den Auftrag, eine Website für ein Unternehmen zu gestalten, welches ausschließlich im B2B-Bereich tätig ist, müssen die Barrierefreiheitsanforderungen laut Gesetz nicht beachtet werden.
Beispiel: Sie gestalten die Website eines Großhändlers, der Waren in großen Mengen an Einzelhändler verkauft.
Verkauft Ihre Kundschaft sowohl an Verbraucher als auch an Unternehmer, gelten die Vorgaben des BFSG.
Eine weitere Ausnahme gilt für Kleinstunternehmer. Diese sind von den Vorgaben ausgenommen, wenn folgende Voraussetzungen greifen.
- Sie beschäftigen unter 10 Personen und erzielen einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro oder
- Sie beschäftigen unter 10 Personen und die Jahresbilanzsumme Ihres Unternehmens beläuft sich auf höchstens 2 Millionen Euro.
Aufgepasst: Sind Webseitenbetreiber oder Unternehmen nicht verpflichtet, die Zugänglichkeit Ihres Online-Auftritts zu gewährleisten, können sie sich freiwillig für ein barrierefreies Webdesign entscheiden. Warum sich digitale Barrierefreiheit lohnen kann, lesen Sie in Kapitel 2 unseres Artikels.
Es kann sich daher anbieten, Ihre Kundschaft über die neuen Barrierefreiheitsanforderungen zu informieren, auch wenn der Check zu einem negativen Ergebnis (“nicht betroffen”) kommt.
Sie haben den Check noch nicht genutzt? Probieren Sie ihn gerne jetzt aus.
Darf ich als Agentur meine Kunden zu den Barrierefreiheitsanforderungen beraten?
Im Rahmen Ihrer Aufklärungspflicht können Sie Ihre Kundschaft auf die neuen Barrierefreiheitsanforderungen hinweisen.
Beachten Sie jedoch hier die Grenze zur für Sie nicht erlaubten Rechtsberatung. Denn nur Rechtsanwälte dürfen in konkreten rechtlichen Einzelfragen beraten. Dies ergibt sich aus § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (kurz: RDG).
Allerdings hält § 5 Abs. 1 RDG eine Ausnahme bereit. Und zwar sind rechtliche Beratungen erlaubt, wenn sie als übliche Nebentätigkeit zum Berufsbild gehören.
Beispiel: Ihr Kunde verwendet Google Analytics auf seiner Website. Sie empfehlen daher dem Kunden, ein Cookie-Consent-Banner einzubinden, um rechtskonform eine Einwilligung einzuholen.
AUFGEPASST
Im Rahmen Ihrer Aufklärungspflichten sind Sie sogar verpflichtet, dem Kunden einen solchen Hinweis zu geben, da die Website ansonsten nicht mangelfrei wäre. Denn Ihr Kunde kontaktiert Sie als Experte für Webdesign, sodass ein gewisser Kenntnisstand auch von Seiten der Rechtsprechung vorausgesetzt wird.
Ebenso verhält es sich mit den neuen Anforderungen aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Nutzen Sie den eRecht24 Barrierefreiheits-Check, um eine grobe Ersteinschätzung zu erhalten.
Finden Sie heraus, dass Ihr Kunde nicht als Kleinstunternehmer zählt und daher zur Umsetzung der Barrierefreiheit verpflichtet ist, können Sie diesen Hinweis unbesorgt an Ihre Kundschaft weitergeben. Machen Sie Ihrem Kunden jedoch deutlich, dass Sie als Agentur keine endgültige Einschätzung vornehmen können und dieser bei rechtlichen Fragen einen Rechtsanwalt hinzuziehen sollte.
Wichtig: Es muss sich bei der Rechtsdienstleistung um eine reine Nebenleistung handeln. Das heißt, es muss ein enger, sachlicher Zusammenhang zur Haupttätigkeit gegeben sein, die rechtlichen Infos müssen klar untergeordnet und enger Hilfszweck der eigentlichen Leistung bleiben.
Unzulässig wäre es beispielsweise, wenn Sie Kunden ein Kurzgutachten zur Betroffenheit durch das BFSG gegen Zahlung eines Honorars anbieten. Hier würde die rechtliche Beratung keine Nebenleistung mehr darstellen, sondern eine Hauptleistung.
Beachten Sie als Agentur daher folgende Punkte:
- Fordern Sie kein eigenständiges Honorar für rechtliche Hinweise zum BFSG,
- Beraten Sie zum BFSG nur im Rahmen eines konkreten Webseitenprojekts, für das Sie bereits beauftragt wurden oder für das ein Kunde Sie beauftragen möchte.
Möchte Ihr Kunde eine individuelle Prüfung, eine eigenständige Änderung von Rechtstexten oder eine konkrete Einzelfallberatung, sollte dieser eine rechtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen. Hierfür steht Ihnen gerne unsere Partnerkanzlei Siebert Lexow zur Verfügung. Im Anschluss können Sie konkrete Absprachen zur Umsetzung mit Ihrer Kundschaft treffen und die Vereinbarungen schriftlich festhalten.
2. Warum ist digitale Barrierefreiheit wichtig?
Wollen Sie Webseiten barrierefrei designen und Ihre Kunden richtig informieren, müssen Sie zunächst wissen, was digitale Barrierefreiheit bedeutet. Viele Webseitenbetreiber sehen zunächst die neuen gesetzlichen Verpflichtungen und den Aufwand sowie die Kosten, die mit der Umsetzung verbunden sind.
Im Vordergrund steht die Accessibility, also die Zugänglichkeit von digitalen Inhalten. Denn Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen sollen einen gleichberechtigten Zugang zum Internet haben.
PRAXIS-TIPP
Helfen Sie Ihrer Kundschaft dabei, digitale Barrieren abzubauen und ermöglichen Sie Betroffenen dadurch mehr Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe.
Unabhängig von der Lesekompetenz oder einer Sehbeeinträchtigung, Alter, Mobilität oder schlechten Lichtverhältnissen sollen Web-Inhalte erreichbar, verständlich und für jedermann nutzbar sein. Die Barrierefreiheit geht über die reine Nutzerfreundlichkeit (Usability) einer Website hinaus. Die Umsetzung der Anforderungen des BFSG kann die positive Benutzererfahrung aber auch steigern und zugleich zu mehr Kundenzufriedenheit führen.
Entscheiden sich Ihre Kunden für barrierefreie Websites, profitieren sie von mehr Reichweite und einer besseren Reputation. Durch Alt-Texte, Überschriftenstruktur, klare Sprache und durchgängige HTML-Struktur sind die Webseiten besonders suchmaschinenfreundlich und das Google Ranking kann sich verbessern.
ACHTUNG
Nicht nur für Ihre Kunden, sondern auch für Sie selbst als Agentur oder Webdesigner kann die Barrierefreiheit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Mitbewerbern darstellen.
3. Inwiefern sind Agenturen und Webdesigner vom BFSG betroffen?
Wie Sie bereits aus den vorangegangenen Kapiteln entnehmen konnten, sind Sie als Agentur oder Webdesigner regelmäßig nicht direkt vom BFSG betroffen. Denn im Regelfall erstellen Sie Websites für Unternehmen und Selbstständige und sind daher im B2B-Bereich tätig. Der B2B-Bereich ist ausdrücklich nicht vom BFSG erfasst. In den meisten Fällen liegt daher eine indirekte Betroffenheit vor.
Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen Sie direkt betroffen sind und die Vorgaben des BFSG beachten müssen.
Dies ist unter anderem der Fall, wenn Sie auf Ihrer Website auch Leistungen für Verbraucher anbieten.
Beispiel: Kann ein Verbraucher über Ihre Agentur-Website einen Vertrag abschließen und die Erstellung einer Website für einen privaten Reiseblog beauftragen, handelt es sich um eine Dienstleistung im B2C-Bereich.
In diesem Fall wären Sie bei Überschreiten der Schwellenwerte (10 Mitarbeiter, 2 Millionen Jahresumsatz/Jahresbilanzsumme) zu einer barrierefreien Gestaltung Ihrer eigenen Website verpflichtet.
Möchten Sie den Vertragsschluss mit Verbrauchern bzw. die Pflicht zur barrierefreien Gestaltung Ihrer eigenen Website vermeiden, sollten Sie rechtlich und tatsächlich nachvollziehbar ausschließen, dass Verbraucher mit Ihnen Verträge abschließen können.
Aus den in Kapitel 2 genannten Gründen ist es jedoch auch für Sie selbst sinnvoll, Ihre Website barrierefrei zu gestalten. Auf diese Weise können Sie potentieller Kundschaft Ihr Können präsentieren, sammeln erste Erfahrungen und erhalten mehr Reichweite.
Weiterhin können Sie dann direkt betroffen sein, wenn Sie eigene digitale Produkte oder Dienstleistungen wie Apps, Softwarelösungen oder Plattformen entwickeln, die für Verbraucher gedacht sind.
BEISPIELE AUS DER PRAXIS
Ihre Agentur bietet ein Online-Buchungssystem als SaaS für Fitnessstudios an. Verbraucher können hierüber kostenpflichtig Kurse buchen. Die Buchungssoftware muss barrierefrei sein.
Ihre Agentur hat eine App entwickelt, über die Verbraucher Tickets für Events kaufen können. Die App wird im App Store angeboten. Sie muss barrierefrei gestaltet werden.
Bei der Gestaltung einer App müssen Sie folglich die Anforderungen an die Barrierefreiheit beachten. Die Web Content Accessibility Guidelines sowie die europäische Norm für barrierefreie Informations- und Kommunikationstechnologie (EN 301 549) stehen hier im Vordergrund.
Haben Sie eine Software für den rein internen Gebrauch eines Unternehmens entwickelt, gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) nicht, da es sich weder um ein Produkt noch um eine Dienstleistung für Verbraucher handelt.
Welche Pflichten treffen mich als Agentur oder Webdesigner?
Was müssen Sie nun konkret tun? Ermitteln Sie zunächst einmal, ob Sie direkt oder indirekt betroffen sind. Bieten Sie eigene Softwarelösungen an? Und müssen Sie Ihre eigene Agenturwebsite barrierefrei gestalten?
Um herauszufinden, ob Ihre eigene Website und die Ihres Kunden ein barrierefreies Webdesign benötigt, können Sie zunächst den eRecht24 Barrierefreiheits-Check nutzen.
Im nächsten Schritt geht es an die Aufklärung des Kunden. Denn als Agentur treffen Sie Aufklärungspflichten, die sich zum einen aus der vertraglichen Nebenpflicht ergeben, auf Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Weiterhin folgt die Aufklärungspflicht aus dem Vertrag mit dem Kunden sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Ausflüchte, wie der Kunde hätte sich selbst informieren können, helfen Ihnen an dieser Stelle nicht weiter, da Sie zur Aufklärung verpflichtet sind.
Im schlimmsten Fall haben Sie nicht nur einen Kunden verloren und schaden Ihrem Ruf, sondern es können auch gerichtliche Auseinandersetzungen drohen. Negative Konsequenzen drohen ebenfalls, wenn Sie Ihre Kunden falsch aufklären oder die korrekte Aufklärung im Nachhinein nicht nachweisen können.
- Machen Sie Ihre Kunden auf die rechtlichen Anforderungen, die für Ihre Projekte gelten, aufmerksam.
- Weisen Sie auf Risiken hin, die bei fehlender oder mangelhafter Umsetzung drohen.
- Dokumentieren Sie die Aufklärung schriftlich.
- Lehnt der Kunde trotz Aufklärung ein barrierefreies Webdesign ab, halten Sie die Entscheidung schriftlich fest.
- Vereinbaren Sie Standards und Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit.
- Halten Sie vertraglich fest, welche Leistungen in Bezug auf die Barrierefreiheit geschuldet sind und wie Sie die Barrierefreiheit anschließend testen bzw. überprüfen.
Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Sie Ihre Kunden auf die aktuelle Rechtslage hinweisen, Maßnahmen zur Umsetzung empfehlen und vor Risiken warnen. Möchte Ihr Kunde auf die Umsetzung der Barrierefreiheit trotz Pflicht verzichten, protokollieren Sie dies unbedingt.
Darf meine Agentur mit Barrierefreiheit werben?
Wie schon bei der DSGVO ist auch beim Thema Barrierefreiheit Vorsicht geboten. Denn wie bereits in Kapitel 1 erläutert, dürfen Sie als Agentur keine Rechtsberatung erbringen.
Ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit rechtlichen Fragestellungen, wie der Aufklärung der Kundschaft zu rechtlichen Vorgaben und das Einpflegen von Rechtstexten auf der Kundenwebsite, müssen sich als Nebendienstleistungen darstellen.
Folglich dürfen Sie auch nicht mit Rechtsberatungsleistungen werben und Aussagen wie “BFSG-Beratung” oder “Unser BFSG-Paket sichert Sie ab” sind tabu.
AUFGEPASST
Stellen Sie Ihre eigentlichen Leistungen in den Vordergrund und bewerben Sie Ihr barrierefreies Webdesign lediglich als Nebenleistung. Achten Sie auch darauf nicht mit Selbstverständlichkeiten, wie “Rechtssicheren Webseiten” zu werben, denn Sie sind verpflichtet, mangelfreie Webseiten zu erstellen.
4. Barrierefreies Webdesign: Schritt für Schritt-Anleitung
Was macht ein barrierefreies Webdesign aus und wie unterscheiden sich barrierefreie Webseiten von Webseiten mit Barrieren?
Menschen mit Behinderung oder Einschränkungen sind wie andere Nutzer im Web unterwegs und auf der Suche nach Angeboten oder Möglichkeiten, um sich mit anderen Nutzern zu vernetzen.
Barrierefreiheit beginnt bereits beim Zusammenspiel von Browser und Screenreader. Sind diese kompatibel, kann der Screenreader einwandfrei arbeiten und HTML-Element, ARIA-Rollen und Formulare fehlerfrei wiedergeben. Gelangt der Benutzer nun auf die Startseite einer Webseite, kommen zahlreiche weitere Elemente hinzu.
SCHON GEWUSST?
Die Zugänglichkeit, auch Accessibility genannt, ist nur dann gegeben, wenn die Inhalte für jedermann verständlich sind und sich jeder Nutzer ohne fremde Hilfe auf der Website zurechtfinden kann.
Beispielsweise müssen Audio Inhalte transkribiert werden und Formulare sollten rein per Tastatur bedienbar sein.
Laut den WCAG 2.1 AA (Web Content Accessibility Guidelines) wird ein Zeilenabstand (1,5 fach) für Texte vorgegeben, um die Inhalte für Menschen mit einer kognitiven Einschränkung, eingeschränkter Lesekompetenz oder einer Sehbeeinträchtigung besser lesbar und visuell zugänglich zu machen.
Zuletzt dürfen bei der Beseitigung von Barrieren PDF Dokumente nicht vergessen werden. Strukturieren Sie diese ebenfalls logisch, verwenden Sie Tags und Alternativtexte für Bilder. Mit dem PAC PDF Accessibility Checker können Sie PDF-Dokumente kostenfrei überprüfen.
Gestalterische Vorgaben
Wie bereits im Absatz zuvor angeführt, werden als Richtlinien für eine barrierefreie Gestaltung die Web Content Accessibility Guidelines WCAG 2.1 AA herangezogen. Im Oktober 2023 wurden bereits die WCAG 2.2 veröffentlicht. Diese gelten jedoch noch nicht offiziell, aber könnten bald auch verpflichtend werden. Die WCAG sind rückwärtskompatibel, was bedeutet, dass Sie mit der Erfüllung der WCAG 2.2 automatisch die WCAG 2.1 erfüllen.
SCHON GEWUSST?
Da das BFSG erst zum 28. Juni 2025 in Kraft tritt, stehen die technischen Anforderungen an das BFSG noch nicht final fest. Die WCAG 2.1 AA werden jedoch als Mindeststandard gelten, weshalb ich Ihnen empfehle, sich ab sofort auf die neuen gesetzlichen Vorgaben vorzubereiten.
Das Level AA wird übrigens als Standardniveau empfohlen, denn Stufe A gibt lediglich Basisanforderungen wieder. Das Level AAA gewährleistet eine sehr hohe Barrierefreiheit, wird jedoch teils als nicht realistisch umsetzbar bewertet.
Um Ihnen eine Grundlage für die gestalterische Umsetzung zu bieten, haben wir Ihnen eine Checkliste erstellt. Diese können Sie neben den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) als Leitfaden nutzen.
Die Checkliste orientiert sich an den POUR-Prinzipien: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.
Bedenken Sie jedoch, dass die Liste nicht abschließend ist und Sie gegebenenfalls weitere Aspekte berücksichtigen sollten.
Wahrnehmbarkeit
- gute Erkennbarkeit und Lesbarkeit von Texten durch Schriftarten ohne Serifen, geeignete Schriftgröße, Schriftfarbe, Kontraste und Zoom-Option, ausreichender Zeilenabstand (mind. 1,5 fach),
- Alternativtexte für Bilder, Transkripte für Audio und Video,
- Kennzeichnung von Verlinkungen durch Farben und Unterstreichungen,
- Verzicht auf Pop-Ups,
- ARIA-Attribute und HTML-Struktur durchgängig verwenden,
- Struktur durch Überschriften und einheitliche Bezeichnungen und Symbole,
Bedienbarkeit
- Website rein per Tastatur ohne Maus bedienbar,
Verständlichkeit
- einfache, verständliche Sprache ohne Fremdwörter und Fachbegriffe verwenden,
- keine verschachtelten Sätze, Struktur durch Absätze,
- einheitliche Menüpunkte und Überschriften verwenden,
- Formulare erklären, Pflichtfelder kennzeichnen,
- wichtige Informationen in Gebärdensprache und leichter Sprache zusammenfassen,
- Buttons und Links verständlich beschriften,
- Nutzern verschiedene Kontaktmöglichkeiten bieten,
- aussagekräftige Meta-Title und Meta-Description verwenden,
Robustheit
- Kompatibilität von Website, Browser und Screenreader,
- unkomplizierte Integration von assistiven Technologien,
Optionale Kriterien WCAG 2.2
- interaktive Elemente werden durch Tastaturfokus nicht überdeckt, Fokus klar sichtbar und vollständig dargestellt,
- Ziehbewegungen sind alternativ ausführbar, bspw. per Klick durch Tastatur,
- Interaktive Elemente müssen eine Größe von 24 x 24 Pixeln und ausreichenden Abstand haben,
- Hilfeoptionen müssen an derselben Stelle auf allen Seiten angeboten werden,
- keine erneute Dateneingabe bei mehrstufigen Formularen,
- barrierefreie Authentifizierungsmethoden, also keine kognitiv belastenden Aufgaben wie bspw. Rechenaufgaben.
Haben Sie die Anforderungen umgesetzt, sollten Sie im Anschluss die Zugänglichkeit der jeweiligen Website testen. Halten Sie mit Ihren Kunden vertraglich fest, dass die Barrierefreiheit abschließend geprüft wird und legen Sie fest, welcher Test zum Einsatz kommen soll.
Wir von eRecht24 haben für Sie den eRecht24 Barrierefreiheitsscanner entwickelt, der sich an den Kriterien der WCAG orientiert. Um den Test zu starten, geben Sie die URL der zu prüfenden Website ein. Nach Eingabe Ihrer E-Mail-Adresse erhalten Sie einen detaillierten Report mit Problemen, Hinweisen und Features.
Informationspflichten: Barrierefreiheitserklärung
Mit der technisch barrierefreien Gestaltung der Webseite ist es jedoch noch nicht getan. Denn Ihre Kunden müssen zudem Informationen nach Anlage 3 Nummer 1 BFSG erstellen und diese der Allgemeinheit in barrierefreier Form zugänglich machen.
AUFGEPASST
Die Anforderungen an barrierefreie Texte gelten auch für sämtliche Rechtstexte auf einer Website. Das bedeutet, dass Impressum und Datenschutzerklärung ebenfalls barrierefrei gestaltet werden müssen. Unsere eRecht24 Generatoren erstellen Ihnen diese Rechtstexte barrierefrei als HTML-Quellcode.
Die Barrierefreiheitserklärung soll den Benutzer der Website über den Stand der Umsetzung der Barrierefreiheit informieren. Wir empfehlen die Erklärung deutlich wahrnehmbar im Footer oder als eigenen Menüpunkt zur Verfügung zu stellen.
Benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung der Erklärung für Ihre Kundschaft, haben wir für Sie einen Generator entwickelt, der Ihnen in unserem Premium Bereich zur Verfügung steht.
5. Rechtliche Konsequenzen bei mangelnder Umsetzung des BFSG
Barrierefreies Webdesign ist mit Einführung des BFSG kein “Nice-to-have” mehr, sondern für zahlreiche Unternehmen gesetzliche Pflicht. Als Agentur stehen Sie in der Verantwortung, Websites, Apps und weitere Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Halten Sie sich nicht an die Vorgaben, drohen unangenehme Folgen.
Rechtliche Konsequenzen
Bieten Sie als Agentur eigene Dienstleistungen wie Apps oder SaaS an oder vermarkten eigene digitale Produkte oder Plattformen, können bei Verstoß gegen das BFSG folgende Konsequenzen drohen:
- Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbände,
- Unterlassungsklagen,
- Beanstandung durch die Marktüberwachungsbehörde,
- Bußgelder bis 100.000 Euro,
Vertragsrechtliche Konsequenzen
Wurden Sie von einem Unternehmen mit der Gestaltung einer Website oder eines Online-Shops beauftragt, können Sie indirekt haften. Bei mangelhafter Umsetzung der Barrierefreiheit oder falscher/fehlender Aufklärung über gesetzliche Vorgaben drohen folgende Konsequenzen:
- Mängelhaftung/Nachbesserungspflicht,
- Vertragsstrafen,
- Schadensersatzansprüche,
- Kündigung des Vertrages wegen Pflichtverletzung.
Wirtschaftliche Konsequenzen
- Schlechte Kundenbewertungen,
- Mehrkosten für Nachbesserungen,
- Vertrauensverlust,
- Imageschaden.
6. Fazit
Das Thema Barrierefreiheit kommt in großen Schritten und wird zukünftig zu einem rechtlich verankerten Standard. Als Agentur sollten Sie sich nicht nur auf drohende rechtliche Konsequenzen bei Nichtumsetzung der Barrierefreiheit konzentrieren, sondern vielmehr die Vorteile betrachten. Grenzen Sie sich von Mitbewerbern ab und präsentieren Sie sich als Experte für digitale Inklusion. Benötigen Sie Unterstützung, stehen wir Ihnen mit zahlreichen Tools, Checklisten und Inhalten in unserem eRecht24 Premium Bereich zur Seite.
7. FAQ