Worum geht's?
Videos zählen heutzutage zum Standardrepertoire von Unternehmen, Onlineshops und Vereinen und dienen Präsentation, Information und Werbung. Zahlreiche Nutzer in Deutschland können diese Inhalte aufgrund von Barrieren jedoch nicht einwandfrei nutzen - weil ihr Seh- oder Hörvermögen eingeschränkt ist oder sie die Bedeutung der Inhalte nicht schnell genug erfassen können. Das BFSG möchte digitale Inhalte künftig für alle Menschen zugänglich machen und erfasst daher nicht nur Webseiten, sondern auch eingebundene Medien. Wann Ihre Videoinhalte barrierefrei sein müssen und wie Sie dies umsetzen, erfahren Sie in unserem Artikel.
1. Wann müssen Videos barrierefrei sein?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und ab diesem Zeitpunkt müssen Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, die gegenüber Verbrauchern erbracht werden, barrierefrei gestaltet sein.
Hiervon betroffen sind Webseiten, Apps und SaaS-Anwendungen sowie deren Inhalte, die Teil der digitalen Dienstleistung sind.
WEITERLESEN?
Sie möchten mehr zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz lesen und interessieren sich für Inhalte und Ziele? In unserem Artikel “Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen: Webseitenbetreiber und Online-Shops erneut in der Pflicht” finden Sie alles Wissenswerte zum Thema.
Können Videos also Teil der digitalen Dienstleistung sein? Ja. Vermitteln die Videos Informationen über Ihre Dienstleistungen, sind sie Teil einer Buchungsplattform oder eines Supportportals oder gehören auf andere Weise zu Ihrer Dienstleistung dazu, sind sie Teil der Dienstleistung und müssen barrierefrei gestaltet sein.
BEISPIELE AUS DER PRAXIS
- Sie betreiben einen Online-Shop für Outdoor-Zubehör. In einem Produktvideo erklären Sie den Nutzern die Vorteile Ihres Regenponchos im Vergleich zu herkömmlichen Regenmänteln.
- Sie haben eine App für Terminbuchungen entwickelt. In einem Erklärvideo zeigen Sie dem Verbraucher, wie er Angebote miteinander vergleichen und seine Termine nach der Buchung verwalten kann.
- Sie sind Yogalehrerin und bieten auf Ihrer Website Online-Kurse an. Nutzer können diese kostenpflichtig anschauen.
In allen drei Fällen ist das Video ein Teil der digitalen Dienstleistung. Die Abgrenzung, wann ein Video Teil einer Dienstleistung ist, ist nicht immer ganz einfach.
Sind Sie rein hobbymäßig auf Youtube oder Instagram unterwegs und laden dort Videos hoch, müssen diese nicht barrierefrei gestaltet sein. Denn schließlich handelt es sich hier nicht um eine Dienstleistung im E-Commerce.
Erstellen Sie ein Produktvideo, laden dieses auf Youtube hoch und betten es in Ihren Online-Shop ein, sind Sie vom BFSG erfasst.
In unserem Artikel “Inklusion im E-Commerce: So gestalten Sie Ihren Online-Shop barrierefrei” beschäftigen wir uns intensiv mit der barrierefreien Gestaltung Ihres Online-Shops und stellen Ihnen eine Anleitung zur Umsetzung der Vorgaben zur Verfügung.
RECHTLICHE GRAUZONEN
- Sie veröffentlichen ein Recruiting-Video auf Ihrer Unternehmenswebsite.
Betroffen? Wahrscheinlich ja, denn das Video ist an Verbraucher gerichtet und öffentlich. - Sie stellen für Ihre Mitarbeiter ein Erklärvideo im internen Intranet der Firma zur Verfügung. Betroffen? Nein, denn es ist nicht öffentlich und es sind keine Verbraucher betroffen.
- Sie zeichnen einen Livestream auf und machen die Aufzeichnung später online verfügbar. Betroffen? Die Aufzeichnung ja, der reine Live-Stream wahrscheinlich nein.
Da das BFSG am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, gelten ab diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Vorgaben. Nutzen Sie ab diesem Zeitpunkt Videoinhalte auf Ihrer Website, sind Aspekte wie eine Untertitelung und eine barrierefreie Einbindung das A und O. Eine weitere Umsetzungsfrist gibt es nicht.
2. Für wen gelten die neuen Vorgaben und welche Vorteile hat die Barrierefreiheit?
Viele Onlineshop-Betreiber und Betreiber von Webseiten fragen sich nun, ob sie konkret betroffen sind. Wie bereits im Kapitel zuvor erläutert, gilt das BFSG nur bei Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern. Das heißt, dass Sie nicht betroffen sind, wenn Sie rein im B2B-Bereich aktiv sind.
Es gibt jedoch eine weitere Ausnahme. Gelten Sie als Kleinstunternehmer, müssen Sie Ihre Website nicht barrierefrei gestalten und auch barrierefreie Videos sind keine Pflicht.
AUFGEPASST
Die Ausnahme für Kleinstunternehmen gilt nur für Dienstleistungen und nicht für Produkte.
Damit Sie sich schnell und einfach einen ersten Überblick verschaffen können, ob die Anforderungen für Sie gelten, haben wir von eRecht24 einen Barrierefreiheits-Check entwickelt. Mit diesem Tool können Sie kostenfrei ermitteln, ob Ausnahmen auf Sie zutreffen oder nicht.
Aber auch wenn Sie nicht verpflichtet sind, das BFSG umzusetzen, kann es sich für Sie lohnen, auf digitale Inklusion zu setzen und barrierefreie Videos zu erstellen. Denn so erschließen Sie für sich und Ihr Unternehmen einen größeren Kundenkreis und machen allen Menschen unabhängig von Einschränkungen und Behinderungen Ihr Angebot zugänglich.
Insbesondere in einer alternden Gesellschaft sind mehr und mehr Menschen auf digitale Angebote und Online-Einkäufe angewiesen. Durch die Optimierung Ihrer Webseite können Sie zudem Ihre Sichtbarkeit erhöhen und das Google Ranking verbessern.
Durch digitale Inklusion grenzen Sie sich von Mitbewerbern ab, können neue Kundengruppen erschließen und Ihre Stellung am Markt festigen.
Gibt es Ausnahmen für bestimmte Videos?
Ein Blick ins Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verrät, dass auch Ausnahmen vorgesehen sind. Nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 BFSG gelten die Vorgaben nicht für aufgezeichnete zeitbasierte Medien auf Webseiten oder mobilen Anwendungen, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht worden sind.
Dies bedeutet, dass Videos, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes veröffentlicht wurden, nicht im Nachhinein angepasst werden müssen.
Aufgepasst: Überarbeiten Sie das Video, indem Sie neue Inhalte ergänzen oder veröffentlichen Sie dieses erneut oder binden es auf einer aktualisierten Plattform ein, sind Sie zu einer barrierefreien Gestaltung verpflichtet.
Eine weitere Ausnahmevorschrift stellt die unverhältnismäßige Belastung gemäß § 17 BFSG dar. Unter bestimmten Voraussetzungen kann von den Vorgaben zur Barrierefreiheit abgewichen werden, wenn eine unverhältnismäßige Belastung für das verpflichtete Unternehmen gegeben ist.
Die Ausnahmevorschrift ist allerdings eng auszulegen und muss vom Webseitenbetreiber oder Onlineshop-Inhaber umfangreich begründet werden. Pauschale Ausreden wie ein hoher Zeitaufwand und zu wenige finanzielle Mittel sind nicht ausreichend.
3. So geht's: So erstellen Sie barrierefreie Videos
Damit Sie wirklich barrierefreie Videos erstellen können, sollte die Barrierefreiheit bereits in der Konzeption des Videos bedacht werden. Kommt die Barrierefreiheit erstmals im Rahmen der Videoproduktion ins Spiel, kann dies zusätzlichen Aufwand verursachen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einbindung auf Ihrer Webseite, denn Videos werden nicht nur mit einem Videoplayer wiedergegeben, sondern auch bedient.
Unsere Checkliste bietet Ihnen einen Leitfaden für eine barrierefreie Videoproduktion. Grundlage für die Gestaltung bieten die WCAG 2.1 Level AA sowie die harmonisierte europäische Norm EN 301 549. Beachten Sie, dass die Liste die Mindeststandards auflistet, aber nicht abschließend ist.
- bei Videos ohne Ton sollten Sie eine Medien-Alternative wie Audiodeskription oder Text anbieten,
- Beschreibung von visuellen Elementen bei Videos mit oder ohne Ton per Audiodeskription,
bei reinen Audio-Inhalten vollständige Transkription aller Gespräche, Soundeffekte und Sprecherwechsel, - für Videos mit Ton Transkription erstellen, gesprochene Texte, Geräusche (wie z.B. Applaus oder Lachen) sowie Musik sollten wiedergegeben werden,
- für fremdsprachige Videos mit Übersetzung im Untertitel: Tonspur mit übersetzten Inhalten erstellen,
- Verwendung eines geeigneten Players: Anzeige von Untertiteln, synchrone Darstellung von Ton und Untertitel,
- Einstellungen für Untertitel in Video Player möglich, Kontraste einstellbar und Untertitel können dauerhaft eingeblendet werden,
- Video Player per Tastatur bedienbar, Bedienelemente haben sichtbare Fokusindikatoren, Screenreader-Kompatibilität gewährleisten.
Möchten Sie Ihre Videos besonders inklusiv und nutzerfreundlich gestalten, können Sie zudem noch folgende Kriterien berücksichtigen:
- minimieren Sie Hintergrundgeräusche,
- verwenden Sie eine ausgeglichene Lautstärke ohne plötzliche Schwankungen,
- die Sprecher sollten langsam und deutlich reden,
- Einblendungen im Video sollten ausreichend groß und gut lesbar sein,
- vermeiden Sie blinkende oder flackernde Elemente,
- Videos oder Animationen können vom Nutzer gestoppt und gestartet werden,
- verwenden Sie eine einfache Sprache, ohne Fremdwörter und Fachbegriffe in den Videos,
- übersetzen Sie Inhalte oder die wichtigsten Informationen in Gebärdensprache,
vermeiden Sie irritierende oder störende Hintergrundmusik.
4. Wie überprüfe ich, ob mein Video barrierefrei ist?
Um zu überprüfen, ob Ihr Video tatsächlich barrierefrei ist, haben Sie mehrere Optionen. Arbeiten Sie zunächst sorgfältig die Checkliste aus dem vorangegangenen Kapitel ab. Nun können Sie Tools wie WAVE hinzuziehen, um Ihre Website einschließlich eingebetteter Medien zu analysieren. Setzen Sie zudem auf Nutzerfeedback und ziehen Sie Personen mit eingeschränktem Hörvermögen oder Sehbeeinträchtigung schon zu Beginn der Videoproduktion hinzu.
5. Konsequenzen einer nicht barrierefreien Videoproduktion
Da keine weitere Umsetzungsfrist existiert, ist der 28. Juni 2025 für Sie der Stichtag. Haben Sie die Anforderungen erfolgreich umgesetzt, können Sie sich entspannt zurücklehnen und die weiteren Entwicklungen rund um das Thema Barrierefreiheit verfolgen.
Denn vieles ist aktuell noch unklar, da das BFSG und die Verordnung zum BFSG nicht abschließend regeln, wann Produkte und Dienstleistungen tatsächlich barrierefrei sind. Erst mit Inkrafttreten des Gesetzes können richtungsweisende behördliche und gerichtliche Entscheidungen erwartet werden.
Bleiben Sie untätig, obwohl Sie vom BFSG erfasst werden, drohen unangenehme Konsequenzen. Denn ab dem Stichtag können erste Kontrollen durch die Marktüberwachungsbehörden stattfinden. Im schlimmsten Fall drohen Verkaufs- oder Bereitstellungsverbote sowie Bußgelder bis zu 100.000 Euro.
ACHTUNG
Verstöße gegen das BFSG können auch durch Mitbewerber abgemahnt werden. Es drohen somit nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche und reputative Schäden.
6. FAQ