Von „empörendem Verhalten“ sprechen Vertreter der US-Handelsbehörde FTC. Nach einer formellen Untersuchung besteht kein Zweifel mehr daran, dass sich der weltgrößte Online-Händler an den Trinkgeldern seiner Fahrer bereichert hat. In einem Vergleich mit der FTC hat Amazon nun zugestimmt, mehr als 61,7 Millionen Dollar zurückzuzahlen.
Plötzlich weniger Einnahmen
Bis Ende 2016 hielt der Bezos-Konzern das Versprechen, mit dem er neue Fahrer angeworben hatte: Einen vergleichsweise hohen Stundenlohn von 18 bis 25 US-Dollar sollten sie erhalten. Dazu kämen die in den USA üblichen „Tips“, also die Trinkgelder zufriedener Kunden. Dann allerdings stellten immer mehr Zusteller fest, dass monatlich weniger ausgezahlt wurde. Woran das lag, konnten sie nicht erkennen. Denn ihr Arbeitgeber hatte von einem Monat auf den anderen das Abrechnungssystem umgestellt. Statt nach einzelnen Fahrten, Lohn und Trinkgeld aufzuschlüsseln, war nur noch eine Gesamtsumme angegeben. Und zwar mit voller Absicht, wie die Handelsbehörde FTC herausgefunden hat. Amazon habe intern beschlossen, einen Teil der „Tips“ mit dem Arbeitslohn zu verrechnen. Die geprellten Fahrer hätten davon aber nichts erfahren sollen.
Bewusste Täuschung
Doch die Dienstleister waren misstrauisch geworden. Hunderte beschwerten sich über die gesunkenen Einnahmen. Als Antwort erhielten sie lediglich eine E-Mail mit der vorformulierten Standard-Antwort, dass Trinkgelder zu einhundert Prozent ausgezahlt würden. Das behauptete man auch gegenüber Amazon-Kunden und großen Tageszeitungen, die vom Unmut der Zusteller erfahren hatten. Erst als die Handelsbehörde im Jahr 2019 eine Untersuchung einleitete, kehrte das Unternehmen zu der ursprünglichen Entgelt-Praxis zurück.
61 Millionen für rechtmäßige Empfänger
Nach Abschluss des Verfahrens haben sich FTC und Amazon auf einen Vergleich geeinigt. Der Konzern zahlt 61,7 Millionen US-Dollar, das entspricht etwa 51,3 Millionen Euro. Mit diesem Geld sollen die betrogenen Fahrer entschädigt werden. Außerdem wird Amazon ausdrücklich untersagt, falsche Angaben zu Stundenlöhnen, Gesamtverdienst und „Tips“ zu machen. Das Unternehmen darf außerdem Trinkgelder nicht zweckentfremden, ohne vorher die Erlaubnis der Empfänger einzuholen.
Fazit
Intern war die Behandlung der Fahrer laut FTC umstritten. Einigen Angestellten sei durchaus bewusst gewesen, dass man „auf einem Pulverfass“ sitze und eine PR-Katastrophe riskiere. Dass nun zeitgleich mit der Veröffentlichung des FTC-Berichtes CEO Jeff Bezos seinen Rücktritt vom Vorstandsvorsitz bekannt gibt, könnte auch als Ablenkungsmanöver interpretiert werden.
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